BGH II ZB 3/23
Auskunftsersuchen eines Gesellschafters hinsichtlich Daten zur Identifikation von Mitgesellschaftern zwecks Unterbreitung von Kaufangeboten zulässig

05.06.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
24.10.2023
II ZB 3/23
DStR 2024, 192

Leitsatz | BGH II ZB 3/23

Ein Auskunftsersuchen des Gesellschafters, das auch dem Ziel dient, die Namen, Anschriften und Beteiligungshöhe der Mitgesellschafter dazu zu verwenden, diesen Kaufangebote für ihre Anteile zu unterbreiten, stellt keine unzulässige Rechtsausübung und keinen Missbrauch des Auskunftsrechts dar. Einem solchen Auskunftsbegehren stehen auch nicht die Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung entgegen.

Sachverhalt | BGH II ZB 3/23

Die Klägerin ist eine KG und als Treuhandkommanditistin mit der Beklagten an einer Fondsgesellschaft beteiligt. Die Beklagte führt im Auftrag der Fondsgesellschaft ein Register mit den personenbezogenen Daten der Treugeber. Die Klägerin verlangt von der Beklagten zunächst vergeblich Auskunft über persönliche Daten, sowie die Beteiligungsverhältnisse an der Fondsgesellschaft. Das daraufhin angerufene AG verurteilt die Beklagte, die begehrte Auskunft zu erteilen.

Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten wurde als unzulässig verworfen. Der Beschwerdewert wurde auf 300 € festgesetzt. Gegen den Verwerfungsbeschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.

Entscheidung | BGH II ZB 3/23

Die Berufung ist unzulässig, da sie weder zugelassen wurde, sowie der Wert des Berufungsgegenstandes 600 € nicht übersteigt. Für die Bemessung der Beschwer sei auf das Abwehrinteresse der beklagten Partei abzustellen, insb. unter Berücksichtigung ihres voraussichtlichen Zeit- und Kostenaufwandes. Dieser sei hier auf max. 300 € zu beziffern; schließlich können alle Daten unproblematisch an die Klägerin herausgegeben werden.

Die Beklagte muss insbesondere keine zeitaufwendige Abfrage hinsichtlich des Einverständnisses der Datenweitergabe durchführen. Die sofortige Datenweitergabe ist mit Blick auf den Gesellschaftsvertrag der Fondsgesellschaft gem. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. b) DSGVO zulässig. Auch besteht kein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse, das den Beschwerdewert erhöhen würde. Derjenige, der einen Gesellschaftsvertrag schließt, hat keinen schützenswerten Anspruch auf Anonymität.

Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig und damit erfolglos. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung, eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zudem nicht für zur Rechtsfortbildung oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Insbesondere ergibt sich aus dem Auskunftsersuchen zum Zwecke des Unterbreitens von Kaufangeboten keine grundsätzliche Bedeutung hinsichtlich der Frage des Rechtsmissbrauchs gem. § 242 BGB. Eine Rechtssache hat nach ständiger BGH-Rechtsprechung grundsätzliche Bedeutung, „wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, d.h. allgemein von Bedeutung ist“.

Nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung stellt ein solches Auskunftsersuchen kein rechtsmissbräuchliches Verhalten dar und kann daher keinen Klärungsbedarf begründen. Auch der BGH hat in früheren Entscheidungen den Auskunftsanspruch hinsichtlich der Person der Mitgesellschafter als unentziehbares mitgliedschaftliches Recht erkannt. Aus der Begründung dieses Auskunftsrechtes ergibt sich - wenn auch nicht ausdrücklich genannt - mit hinreichender Klarheit auch ein Auskunftsrecht hinsichtlich der Beteiligungshöhe. Das Zusammenwirken von Gesellschaftern ist in einer Publikumsgesellschaft elementarer Bestandteil der Willensbildung. Ist die Stimmkraft eines Anlegers also (wie hier) von seiner Beteiligungshöhe anhängig, so ergibt sich für ihn notwendigerweise ein Auskunftsrecht hinsichtlich der Beteiligungshöhe der anderen Gesellschafter, um seine Mitgliedschaftsrechte informiert ausüben zu können. Infolgedessen besteht eine entsprechende Erforderlichkeit i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. b) DSGVO.

Im Übrigen besteht keine Vorlageverpflichtung des BGH zum EuGH zwecks Vorabentscheidung gem. Art. 267 AEUV. Aus Nr. 48 der Erwägungen zur DSGVO ergibt sich bereits offenkundig, dass die DSGVO der Kenntnisnahme von Daten zur Identifizierung von und Kontaktaufnahme zu Mitgesellschaftern nicht im Wege steht. Es handele sich mithin um einen sog. „acte claire“.

Praxishinweis | BGH II ZB 3/23

Der BGH begrenzt den Auskunftsanspruch als unentziehbares mitgliedschaftliches Recht lediglich durch das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) und durch das Schikaneverbot (§ 226 BGB). Insbesondere mit Hinblick auf § 242 BGB ist die Schwelle zur Unzulässigkeit noch nicht überschritten, wenn der Anspruch genutzt werden soll, um Mitgesellschaftern Kaufangebote zu unterbreiten - diese können schließlich ablehnen. Auch sieht der BGH keine datenschutzrechtlichen Probleme bei der Erfüllung des Auskunftsanspruchs.