OLG Zweibrücken 8 U 30/19
Erfordernis notarieller Beglaubigung der Wandlungsverpflichtung eines noch nicht an der Gesellschaft beteiligten Darlehensgebers

21.02.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
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Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Zweibrücken
17.05.2022
8 U 30/19
NZG 2022, 1696 (m. Anm. Beckmann/Winter)

Leitsatz | OLG Zweibrücken 8 U 30/19

  1. Zu den Voraussetzungen einer Überschuldung im Sinne des § 19 Abs. 2 InsO sowie zu der den nach § 64 Satz 1 (in der bis zum 31.12.2021 geltenden Fassung) in Anspruch genommenen Geschäftsführer insoweit treffenden Darlegungs- und Beweislast.
  2. Bei einer Wandeldarlehensvereinbarung mit einer GmbH, in der für bestimmte Fälle eine verbindliche Wandlungsverpflichtung zu Lasten des Darlehensgebers nach einem festgelegten Schlüssel vorgesehen ist, bedarf die Unterschrift des Übernehmers jedenfalls dann der notariellen Beglaubigung gemäß § 55 Abs. 1 GmbHG, sofern es sich bei ihm um eine gesellschaftsfremde Person handelt.
  3. Sieht eine Wandeldarlehensvereinbarung mit einseitiger Wandlungsoption für den Darlehensnehmer im Fall der Ausübung des Wandlungsrechtes eine für die Gesellschaft verbindliche satzungsändernde Kapitalerhöhung vor, spricht vieles für eine Pflicht zur notariellen Beurkundung des zu Grunde liegenden Gesellschafterbeschlusses nach § 53 Abs 2 GmbHG.

amtl. Leitsätze

Sachverhalt | OLG Zweibrücken 8 U 30/19

Die Parteien streiten um Ansprüche aus Geschäftsführerhaftung wegen verspäteter Insolvenzantragstellung. Der Beklagte war Geschäftsführer der K. GmbH mit Sitz in N. Mehrheitsgesellschafterin der GmbH war Frau L.

Ende Juli 2015 schloss die Gesellschaft zwei im Wesentlichen gleichlautende, privatschriftliche Wandeldarlehensverträge über jeweils 100.000,00 € ab, einen mit Frau B., die mit notariellem Vertrag vom Juli 2022 Anteile der K. GmbH erwarb und abgetreten erhielt, und mit der Schweizer B. AG. Beide Verträge enthielten Wandlungsverpflichtungen im Fall einer Kapitalerhöhung mit einem Mittelzufluss in Höhe von mindestens 1 Mio. € und darüber hinaus bis zum Ablauf der Laufzeit zum 31.12.2018 ein jederzeitiges Wandlungsrecht der Darlehensgeber. B. machte Mitte Dezember 2015 von ihrem Wandlungsrecht Gebrauch. Im Januar 2016 rügten der Beklagte und L die formale Unwirksamkeit der Wandeldarlehen und vertraten die Auffassung, dass die Verträge der notariellen Beurkundung/Beglaubigung bedurft hätten. Die Wandeldarlehensgeber B. und B. AG forderten daraufhin ihrerseits unter Berufung auf eine Formunwirksamkeit der Wandeldarlehensverträge die Rückzahlung der rechtsgrundlos gezahlten Beträge von je 100.000,00 €, die ausblieb.

Zwischen dem 01.02.2016 und dem 12.05.2016 kam es zu mehreren Überweisungen und Lastschriften vom Geschäftskonto der Beklagten. Auf Grundlage eines vom Beklagten gestellten Eigenantrags vom 10.06.2016 ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Spätestens mit der Stellung des Insolvenzantrages hat die Gesellschaft ihre werbende Tätigkeit eingestellt.

Das LG wies die Klage ab.

Entscheidung | OLG Zweibrücken 8 U 30/19

Das OLG Zweibrücken gab der Berufung statt. Dem Kläger stehe als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin ein Anspruch gegen den Beklagten als früheren Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin aus § 64 S. 1 GmbHG in der bis zum 31.12.2021 geltenden Fassung zu. Die Insolvenzschuldnerin sei zu dem hier streitgegenständlichen Zeitpunkt am 01.02.2016 überschuldet gewesen, auch eine Zahlungsunfähigkeit habe spätestens ab diesem Zeitpunkt vorgelegen.

Eine Zahlungsfähigkeit der Insolvenzschuldnerin sei schon deswegen gegeben, weil jedenfalls das Darlehen der B. AG nicht formwirksam zustande gekommen sei und die Darlehensgeberin berechtigt gewesen sei, den von ihr an die Insolvenzschuldnerin gezahlten Betrag sofort zurückzufordern, was sie auch getan habe.

Der Darlehensvertrag sei zumindest deshalb gemäß § 125 BGB als nichtig anzusehen, weil in dem Darlehensvertrag eine Wandlungsverpflichtung enthalten sei, die gemäß § 55 Abs. 1 GmbHG notariell beurkundet hätte werden müssen. Es bedürfe der notariellen Beglaubigung der Unterschrift des Übernehmers bei der Eingehung einer Übernahmeverpflichtung von Geschäftsanteilen wenigstens dann, wenn es sich bei dem Übernehmer um eine gesellschaftsfremde Person handele. Das OLG Zweibrücken schließt sich hiermit der Auffassung des OLG München (Urt. v. 04.05.2005 - 23 U 5121/04, NZG 2005, 756) an. Die Formnichtigkeit ergreife nach § 139 BGB das gesamte Vertragswerk, da die günstigen Zinskonditionen nicht von der Wandlungsregelung getrennt betrachtet werden könnten. Hinzu komme die Verpflichtung zur Kapitalerhöhung bei Ausübung der Wandlungsoption. Es spreche demnach auch viel für die Formnichtigkeit nach § 53 Abs. 2 GmbHG.

Praxishinweis | OLG Zweibrücken 8 U 30/19

In der Folge des Urteils des OLG Zweibrücken empfiehlt es sich, die Erklärungen des Wandeldarlehensgebers in Wandeldarlehensverträgen mit Wandlungspflicht beglaubigen zu lassen. Ebenso auch die Vollmacht des Wandeldarlehensgebers. Soll der Geschäftsführer ermächtigt werden, die Gesellschaft gegenüber dem Wandeldarlehensgeber zu einer Satzungsänderung zu verpflichten, sollte der hierfür erforderliche Gesellschafterbeschluss aus Vorsichtsgründen beurkundet werden.

Zu beachten ist ebenfalls § 15 Abs. 4 S. 1 GmbHG. Ist im Vertrag eine Verpflichtung des Wandeldarlehensgebers enthalten, im Wandlungsfall einer Gesellschaftervereinbarung beizutreten, die wiederum Mitverkaufsrechte und -pflichten enthält, sollte der Wandeldarlehensvertrag beurkunden werden. Es wird in der Literatur nämlich vertreten, dass nicht erst der Beitritt zu einer solchen Gesellschaftervereinbarung der Form des § 15 Abs. 4 S. 1 GmbHG unterfällt, sondern schon der Vorvertrag zu einer Abtretungsverpflichtung.