BFH IX R 4/20
Berechtigung zur Mitwirkung an Grundlagengeschäften einer Personengesellschaft durch Nießbrauch an Gesellschaftsanteil

24.06.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
15.11.2022
IX R 4/20
ZIP 2023, 519

Leitsatz | BFH IX R 4/20

  1. Durch die Bestellung des Nießbrauchs an einem Gesellschaftsanteil an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft erzielt der Nießbraucher – anstelle des Gesellschafters – die auf den Anteil entfallenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wenn und soweit er aufgrund der ihm vertraglich zur Ausübung überlassenen Stimm- und Verwaltungsrechte grundsätzlich in der Lage ist, auch an Grundlagengeschäften der Gesellschaft mitzuwirken.
  2. Entsprechendes gilt beim Quotennießbrauch an einem Gesellschaftsanteil. Der Quotennießbraucher erzielt nur dann die auf den Anteil entfallenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wenn die vertraglichen Regelungen über die Bestellung des Quotennießbrauchs sicherstellen, dass der Gesellschafter die Entscheidungen – und zwar auch solche, die die Grundlagen der Gesellschaft betreffen – nicht alleine und/oder gegen den Willen des Quotennießbrauchers treffen kann.

Sachverhalt | BFH IX R 4/20

Der Kläger ist zu 1/6 an einer vermögensverwaltenden GbR beteiligt. Zweck der Gesellschaft ist die Haltung, Verwaltung, Nutzung und Vermehrung des Gesellschaftsvermögens. Das Gesellschaftsvermögen der GbR besteht im Wesentlichen aus einem Grundstück, als dessen Eigentümerin sie im Grundbuch eingetragen ist. Die GbR hat an dem Grundstück ein Erbbaurecht bestellt, aus dem sie wiederkehrende Erbbauzinsen erzielt. Im September 2012 räumte der Kläger seinem Sohn mit privatschriftlichem Vertrag an seinem Gesellschaftsanteil schenkweise einen Nießbrauch mit einer Quote von 50 % ein, beginnend am 01.10.2012 und befristet bis zum 30.09.2016. Der Kläger informierte die GbR im Februar 2013 über die Einräumung des Nießbrauchsrechts und bat um Auszahlung seines hälftigen Gewinnanteils an seinen Sohn. Dem kam die GbR nach. In ihrer Feststellungserklärung für das Jahr 2013 berücksichtigte die GbR den Sohn des Klägers nicht als am Gesamtergebnis der Gesellschaft beteiligt. Das für die gesonderte Feststellung zuständige beklagte Finanzamt, stellte die Einkünfte erklärungsgemäß fest und verteilte sie auf die Gesellschafter. Dagegen erhob der Kläger fristgerecht Einspruch. Er macht geltend, dass ihm Sonderwerbungskosten in Höhe von 120,00 € entstanden seien und sein Anteil zur Hälfte aufgrund des Nießbrauchs seinem Sohn zuzurechnen sei. Das Finanzamt berücksichtigte die weiteren Sonderwerbungskosten des Klägers in Höhe von 120,00 € und wies den Einspruch im Übrigen zurück. Die dagegen gerichtete Klage vor dem FG Düsseldorf hatte keinen Erfolg.

Entscheidung | BFH IX R 4/20

Der BFH hat die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Der zugunsten seines Sohnes bestellte Quotennießbrauch ändert nichts daran, dass dem Kläger die Einkünfte aus der GbR in voller Höhe als Gesellschafter persönlich zuzurechnen sind.

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG) sind demjenigen zuzurechnen, der den Tatbestand der Einkunftsart verwirklicht hat. Dies ist in der Regel ist derjenige, der die rechtliche oder tatsächliche Macht hat, eines der in § 21 Abs. 1 EStG genannten Wirtschaftsgüter anderen entgeltlich auf Zeit zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen. Werden über eine Personengesellschaft gemeinschaftlich Vermietungseinkünfte erzielt, sind diese Einkünfte den Gesellschaftern anteilig zuzurechnen. Dies gilt auch, wenn die Gesellschaft den Miet- oder Pachtvertrag als Eigentümerin des Vermietungsobjekts im eigenen Namen abgeschlossen hat. Grundsätzlich können gemeinschaftlich erzielte Einkünfte nur den Gesellschaftern zugeordnet werden. Vorausgesetzt wird in der Regel die zivilrechtliche Gesellschafterstellung. Ausnahmsweise können auch dem Nießbraucher an einem Gesellschaftsanteil die auf den Gesellschafter fallenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ganz oder zum Teil persönlich zugerechnet werden, obwohl er zivilrechtlich kein Gesellschafter ist. Voraussetzung dafür ist, dass die Stellung, die dem Nießbraucher eingeräumt wird, der eines Gesellschafters im Wesentlichen entspricht. Erforderlich ist, dass der Nießbraucher weitere Rechte ausüben kann, durch die seine Rechtsstellung an die des Gesellschafters angenähert wird.

Soll eine geteilte persönliche Zurechnung der dem Anteil entsprechenden Einkünfte erfolgen, kommt dies beim Quotennießbrauch nur in Betracht, wenn der Quotennießbraucher die alleinige Entscheidungsgewalt des Gesellschafters verhindern kann. Entscheidendes Kriterium ist die Verteilung der Stimmrechte. Anhand der Gewichtung der Stimmrechte kann beurteilt werden, ob die Stellung des Quotennießbrauchers der des Gesellschafters im Wesentlichen entspricht. Stimmrechte sind nicht teilbar, sondern müssen einheitlich ausgeübt werden. Deshalb kann dem Quotennießbraucher eine dem Gesellschafter im Wesentlichen entsprechende Position nur eingeräumt werden, wenn er die Stimm- und Verwaltungsrechte nicht nur dem Gesellschafter gegenüber ausüben, sondern auch tatsächlich durchsetzen kann. Erforderlich ist demnach, dass der Quotennießbraucher den Gesellschafter in seinen Entscheidungen zumindest blockieren kann. Maßgeblich ist hier die Vertragslage. Es bedarf vertraglicher Regelunge, da zivilrechtlich nicht abschließend geklärt ist, welche Stimmrechte der Nießbraucher an einem Gesellschaftsanteil nach dem gesetzlichen Regelstatut ausüben darf.

Beim Quotennießbrauch an einem Gesellschaftsanteil an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft erzielt der Quotennießbraucher die auf den Gesellschaftsanteil entfallenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung anstelle des Gesellschafters nur, wenn er die dem Gesellschafter zustehenden wesentlichen Mitbestimmungsrechte effektiv ausüben kann. Maßgeblich ist, ob der Nießbraucher aufgrund der ihm zur Ausübung überlassenen Stimm- und Verwaltungsrechte grundsätzlich in der Lage ist, auch an Grundlagengeschäften der Gesellschaft mitzuwirken. Es ist entscheidend, ob der Nießbraucher in gleicher Weise wie der Gesellschafter an der Willensbildung der Gesellschaft mitwirken kann.

Praxishinweis | BFH IX R 4/20

Der BFH trifft in seinem Urteil umfassende Äußerungen dazu, unter welchen Voraussetzungen eine Zurechnung der Einkünfte beim Nießbraucher möglich ist. Er stellt klar, dass die Rechtsprechung zum Nießbrauch an einem Mitunternehmeranteil nicht für die Frage, wer beim Quotennießbrauch an einem Gesellschaftsanteil einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft die Einkünfte erzielt, herangezogen werden kann (Moldenhauer, DStRK 2023, 87).