KG AR 3/23 Not
Keine Bestellung als Anwaltsnotar bei fehlender Unabhängigkeit eines angestellten Rechtsanwalts

02.07.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

KG
23.01.2024
AR 3/23 Not
BeckRS 2024, 2658

Leitsatz | KG AR 3/23 Not

Die zur Bestellung als (Anwalts-)Notar erforderliche persönliche Eignung erfordert nicht nur eine fachliche, sondern auch eine persönliche Unabhängigkeit des Bewerbers um eine Notarstelle. Ein bei anderen Rechtsanwälten im Angestelltenverhältnis beschäftigter Rechtsanwalt besitzt diese persönliche Unabhängigkeit regelmäßig nicht. Daran ändert es nichts, wenn der angestellte Rechtsanwalt bereits eine herausgehobene Stellung erlangt hat (hier sog. „Counsel“).

Sachverhalt | KG AR 3/23 Not

Der Kläger wurde zum 1. Mai 2007 als Rechtsanwalt in einer Kanzlei eingestellt und ist dort seit dem 1. Januar 2014 als „Counsel“ tätig. Nach Bestehen der notariellen Fachprüfung bewarb er sich am 25. November 2020 um eine Notarstelle und erklärte seine Bereitschaft, mit dem Notaramt unvereinbare berufliche Verbindungen für den Fall der Notarbestellung aufzugeben. Am 25. Januar 2021 vereinbarte er mit seiner Kanzlei ergänzend zu seinem „Counsel-Vertrag“, im Falle der Bestellung zum Notar das Notaramt unabhängig und frei von arbeitsrechtlichen Weisungen auszuüben, frei über die Annahme von Notariatsmandanten entscheiden zu können, im Hinblick auf seine anwaltliche Tätigkeit keinen arbeitsrechtlichen Weisungen zu unterliegen, soweit diese die notarielle Amtsausübung beeinträchtigen würden, und verpflichtete sich, alles Erforderliche zu veranlassen, um die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit als Notar sicherzustellen. Am 20. März 2023 teilte der Beklagte mit, dass die Bewerbung des Klägers nicht berücksichtigt werde, da er aufgrund der Art seiner Berufsausübung als angestellter Rechtsanwalt für das Notaramt persönlich nicht geeignet sei. Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner Klage.

Entscheidung | KG AR 3/23 Not

Die Klage hat keinen Erfolg.

Ein Bewerber darf nur zum Notar bestellt werden, wenn er persönlich und fachlich für das Amt geeignet ist. Die persönliche Eignung darf dabei keinen begründeten Zweifel daran aufkommen lassen, dass die Aufgaben und Pflichten eines Notars gewissenhaft erfüllt werden. Der dabei anzulegende Maßstab darf dabei mit Rücksicht auf die Bedeutung und Schwierigkeit der Aufgaben des Notars nicht zu milde sein. Hat die Justizverwaltung nach pflichtgemäßer Prüfung aller Umstände begründete Zweifel an den Eigenschaften des Bewerbers, darf sie ihn (noch) nicht zum Notar bestellen. Die Interpretation der persönlichen Eignung für das Amt des Notars ist dabei gerichtlich voll überprüfbar, während der Justizverwaltung bei der Prognose, ob ein Bewerber aufgrund seiner persönlichen Umstände für das Amt geeignet ist, ein Beurteilungsspielraum zusteht. Die Frage, ob ein Umstand überhaupt für die Eignung von Bedeutung ist und welches Gewicht ihm im Einzelfall zukommt, unterliegt der vollen gerichtlichen Prüfung.

Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit sind die wichtigsten Prinzipien des notariellen Berufsrechts, da der Notar nicht Vertreter einer Partei, sondern unabhängiger und unparteiischer Betreuer der Beteiligten ist. Zur Wahrung dieser Unabhängigkeit darf er neben seinem Amt grundsätzlich nicht Inhaber eines besoldeten Amts sein oder einen weiteren Beruf ausüben. Aus denselben Gründen wurde vom Gesetzgeber die Möglichkeit, sich miteinander oder mit anderen Berufsträgern zur gemeinsamen Berufsausübung zu verbinden, beschränkt. Der Notar hat außerdem jedes Verhalten zu vermeiden, das den Anschein der Abhängigkeit oder Parteilichkeit erzeugt.

Nach diesen Maßstäben ist eine im Angestelltenverhältnis ausgeübte anwaltliche Tätigkeit mit dem Notaramt grundsätzlich unvereinbar, da einem angestellten Rechtsanwalt aufgrund des arbeitsrechtlichen Weisungsrechts seines Arbeitgebers (vgl. § 106 GewO) die für den Notarberuf erforderliche persönliche Unabhängigkeit fehlt. Der Gesetzgeber hat in der Bundesnotarordnung Regelungen mit dem Ziel getroffen, die Unabhängigkeit des Notaramts so weit wie möglich zu sichern und jeder Beeinflussung der Unparteilichkeit entgegenzuwirken. Der Anschein einer Abhängigkeit oder Parteilichkeit des Notars durch eine anwaltliche Tätigkeit im Angestelltenverhältnis zu anderen Rechtsanwälten kann nicht vermieden werden.

Zwar übt der Rechtsanwalt einen freien Beruf aus und ist dabei ein unabhängiges Organ der Rechtspflege. Jedoch ist diese fachliche Unabhängigkeit von der persönlichen Abhängigkeit des angestellten Rechtsanwalts zu seinem Arbeitgeber zu unterscheiden, da er seine vertraglich geschuldete Leistung wie andere Arbeitnehmer auch im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation und aufgrund eines Arbeitsvertrages erbringt, der ihn zur Leistung weisungsgebundener und fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Daran ändert auch die vom Kläger vorgetragene grundsätzliche Flexibilität bei der Auswahl des Arbeitsortes nichts.

Auch die schriftlichen Vereinbarungen des Klägers mit seiner Kanzlei sind nicht ausreichend dafür, eine persönliche Unabhängigkeit für das Notaramt zu begründen. Denn diese enthalten schon keine umfassende Freistellung des Klägers, sondern setzen im Gegenteil das Weisungsrecht gegenüber dem Kläger bei der Bearbeitung anwaltlicher Mandate voraus. Weiterhin ist der Regelung nicht zu entnehmen, wer die Beeinträchtigung der notariellen Amtsführung bestimmen kann.

Der Kläger wird durch die Entscheidung des Beklagten auch nicht in seinem Grundrecht auf freie Berufswahl nach Art. 12 GG verletzt. Die Voraussetzungen der persönlichen und fachlichen Eignung begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, da sie dem Schutz des wichtigen Gemeinschaftsguts der vorsorgenden Rechtspflege dienen und dadurch die Unabhängigkeit des Notars gewährleistet wird. Die Belastung des Klägers ist auch nicht wesentlich, da ihm im Bewerbungsverfahren die Gelegenheit gegeben wurde, sein Anstellungsverhältnis in einer der persönlichen Unabhängigkeit entsprechenden Weise zu verändern. Dass er dem nicht nachgekommen ist, war letztlich seine freie Entscheidung.

Praxishinweis | KG AR 3/23 Not

Der Senat schließt sich in der vorliegenden Entscheidung der vorherrschenden Auffassung an, nach welcher eine im Angestelltenverhältnis ausgeübte anwaltliche Tätigkeit mit dem Notaramt grundsätzlich unvereinbar ist.

Nach der entgegenstehenden Mindermeinung soll die Tätigkeit als angestellter Rechtsanwalt in einer Kanzlei der Bestellung zum Notar nicht grundsätzlich entgegenstehen, da vor allem in größeren Kanzleien mit mehreren Rechtsanwälten die Arbeitszeit in der Regel flexibel gestaltet werde (vgl. Lerch, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 8. Aufl., § 8 Rdn. 50).