OLG Hamburg 2 U 2/23
Zur Einsetzung einer dem Erblasser als Alleingesellschafter gehörende GmbH als Alleinerbin

01.07.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Hamburg
27.07.2023
2 U 2/23
GmbHR 2024, 197

Leitsatz | OLG Hamburg 2 U 2/23

  1. Eine dem Erblasser als Alleingesellschafter gehörende GmbH kann als Alleinerbin eingesetzt werden, solange der hierdurch eintretende Zustand einer mitgliederlosen GmbH nicht auf Dauer angelegt ist.
  2. Ein vollständiges Tätigkeitsverbot gegenüber dem Testamentsvollstrecker kann vor dem Prozessgericht nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, weil ein solches Tätigkeitsverbot dem Nachlassgericht vorbehaltenden Entlassungsverfahren nach § 2227 BGB vorgreifen würde.
  3. Dies gilt auch für den Eilrechtsschutz. Ggf. ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach den §§ 49 ff. FamFG beim Nachlassgericht zu erwirken.

Sachverhalt | OLG Hamburg 2 U 2/23

H.W. (im Folgenden Erblasser) war Alleingesellschafter und Geschäftsführer der A GmbH, die er als sein Lebenswerk ansah. Die Verfügungsklägerin (VK) ist die Patentochter des Erblassers, der Verfügungsbeklagte 1 (VB 1) ist Wirtschaftsprüfer, Rechtsbeistand und sein langjähriger Berater. Am 30.3.2022 errichtete der Erblasser ein Testament, in dem er die Gesellschaft als seine Alleinerbin einsetzte und verschiedene Vermächtnisse ausbrachte. So sollte u.a. die VK im Wege des Vermächtnisses die GmbH Anteile erhalten. Für den Fall, dass die A GmbH nicht mehr als gemeinnützig anerkannt werde, setze der Erblasser eine neu zu gründende, gemeinnützige Gesellschaft als Alleinerbin ein. Er ordnete weiterhin die Dauertestamentsvollstreckung durch den VB 1 an, die sich sowohl auf den Nachlass als auch das Vermächtnis erstrecken soll. Seine Aufgabe sei es, die Vermächtnisse zu erfüllen und den Fortbestand der A GmbH unter Erfüllung des satzungsmäßigen Zwecks so sicherzustellen, wie es dem Willen des Erblassers entspricht und wie er es ihm in weiterer Anweisung aufgibt. In einem weiteren Testament vom 28.06.2022 ordnete der Erblasser ergänzende Vermächtnisse an und verteilte mehrere Geldbeträge und Immobilien an verschiedene Personen. Zudem erteilte er dem VB 1 eine über den Tod hinausreichende notarielle Generalvollmacht. Am 09.08.2022 lehnte das Finanzamt eine erneute Anerkennung der Gemeinnützigkeit für die A GmbH ab. Im Rahmen des Anerkennungsverfahren ordnete das Finanzamt bereits im August 2021 an, die Satzung der GmbH in bestimmten Punkten zu ändern, damit eine Gemeinnützigkeit gegeben sei. Dies erfolgte nicht.

Durch Erklärung vom 18.08.2022 nahm der VB 1 das Amt als Testamentsvollstrecker an; dessen Schreiben erging spätestens zum 10.09.2023 beim Nachlassgericht. Nach dem Tod des Erblassers kam es vermehrt zu Unstimmigkeiten über die Zukunft der A GmbH. Der VB 1 war der Meinung, dass die GmbH aufgrund ihrer unüberwindbaren Schwierigkeiten bezüglich der Gemeinnützigkeitsanerkennung abgewickelt werden müsse und ihr Vermögen auf eine neu zu gründende, gemeinnützige Gesellschaft zu übertragen sei. Die Prokuristinnen Frau S.D. und Frau N.H. sowie die VK hingegen waren der Ansicht, die A GmbH müsse weitergeführt und die Gemeinnützigkeit könne noch erreicht werden. So beantragten die Prokuristinnen ihre Bestellung als Notgeschäftsführerinnen für die A GmbH, die mit Beschluss vom 10.11.2022 erteilt wurde.

Am 18.08.2022 gründete der VB 1 eine neue Gesellschaft mit dem Namen „H.W. Gedächtnis gemeinnützige GmbH“ und ernannte die Verfügungsbeklagte 2 (VB 2) als Alleingeschäftsführerin. Am selben Tag übertrug der VB 1 im Namen der A GmbH sämtliche Immobilien auf die neu gegründete GmbH, widerrief die Prokura für Frau S.D. und Frau N.H und ernannte die VB 2 als Geschäftsführerin der A GmbH. Diese wiederum erteilte dem VB 1 eine Generalvollmacht zugunsten der Gesellschaft. Die Eintragung der VB 2 als Geschäftsführerin der A GmbH lehnte das Registergericht ab und die hiergegen erhobene Beschwerde wurde vom OLG Hamburg zurückgewiesen. Die beiden Prokuristinnen widerriefen ihrerseits im Namen der Gesellschaft die dem VB 1 erteilte Generalvollmacht. Es folgten mehrere Auseinandersetzungen, so erteilten sich die Parteien gegenseitig Hausverbot. Der VB 1 beauftragte daraufhin ein Sicherheitsunternehmen, dessen Einsatz durch einen Polizeieinsatz beendet wurde. Weiterhin kündigte der VB 1 allen Mitarbeitern der A GmbH, die sich daraufhin vor dem Arbeitsgericht wehrten. Als Notgeschäftsführerinnen einigten sie sich mit den Mitarbeitern auf eine Weiterbeschäftigung.

Am 20.01.2023 erteilte das Nachlassgericht einen Erbschein, der die A GmbH als Alleinerbin ausweist. Daraufhin entließ das Nachlassgericht den VB 1 gem. § 2227 BGB als Testamentsvollstrecker. Dagegen wendete sich der Verfügungsbeklagte mit Beschwerde und Befangenheitsantrag. Am 28.04.2023 erklärte Dr. L die Annahme des Amtes als Ersatztestamentsvollstrecker und beantragte am 05.05.2023 die Auswechslung der Notgeschäftsführerinnen.
Die Verfügungsklägerin beantragte bereits im September 2022 eine einstweilige Verfügung zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen gegenüber dem Verfügungsbeklagten, die durch Beschluss des LG Hamburg aufrechterhalten wird. Zur Begründung wird aufgeführt, die VK als alleinige Gesellschafterin sei berechtigt, Ansprüche aus §§ 823, 1004 BGB geltend zu machen, da in die Rechte der A GmbH eingegriffen worden sei. Der VB 1 sei als Testamentsvollstrecker verpflichtet, den Fortbestand der A GmbH zu sichern. Durch seine Handlungen habe er wiederholt gegen die Interessen der A GmbH und gegen den Willen des Erblassers gehandelt. Er und VB 2 gefährden das Vermächtnis der VK. Mit der beim OLG eingegangen und begründeten Berufung wenden sich die Verfügungsbeklagten nun gegen diese Entscheidung des LG.

Entscheidung | OLG Hamburg 2 U 2/23

Die Berufung ist zulässig und begründet und führt zur Abänderung des Urteils sowie der Abweisung des Antrags. Zwar stehen der Verfügungsklägerin Unterlassungsansprüche aus Deliktrecht zu, allerdings umfassen diese nicht die mit dem Antrag geltend gemachten Unterlassungsansprüche. Gleiches gilt für auf § 2216 BGB gestützte Unterlassungsansprüche. Ein auf § 2227 BGB gestütztes umfassendes Tätigkeitsverbot ist nicht Gegenstand des Verfahrens und Ansprüche im Wege der Prozessstandschaft können aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht geltend gemacht werden.

Der VK stehen keine Ansprüche auf Unterlassung gem. §§ 823, 830 BGB i.V.m. § 1004 I BGB unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu. Ein Eingriff käme allenfalls nur dann in Betracht, wenn die Verfügungsklägerin bereits Gesellschafterin der A GmbH wäre. Hieran fehle es aber, da ihr lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch auf Einräumung der Gesellschafterstellung im Wege des Vermächtnisses zusteht, der durch die A GmbH noch nicht erfüllt wurde. Demnach wurde nicht die Klägerin, sondern die A GmbH als Alleinerbin ernannt und damit Inhaberin der Gesellschaftsanteile. Die Einsetzung der GmbH als Alleinerbin ist rechtlich möglich, weil nach einhelliger Ansicht auch juristische Personen grundsätzlich nach § 1932 BGB erbfähig sind. Erforderlich ist dafür, dass die juristische Person zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits bestanden hat. Die hier vom Erblasser anknüpfende Rechtsfolge, dass eine andere gemeinnützige GmbH im Wege der Ersatzerbfolge nach § 2096 BGB Alleinerbin sein soll, ist rechtlich jedoch nicht möglich, denn zum Zeitpunkt des Erbfalls bestand die Ersatzgesellschaft noch nicht. Dies führt bei Auslegung des Testaments dazu, dass selbst im Falle der fehlenden Gemeinnützigkeit die A GmbH Alleinerbin geworden ist. Dem Erblasser ging es neben den steuerlichen Erwägungen auch darum, eine dauerhafte Bindung seines Vermögens an einer Gesellschaft zu errichten, die den Gesellschaftszweck weiterhin verwirklicht. Diesen Zweck kann die A GmbH auch unabhängig von der Anerkennung der Gemeinnützigkeit verfolgen, zumal keine Anhaltspunkte gegeben sind, wer bei einem Ausscheiden der A GmbH als Erbersatz eintreten soll. Es scheitert auch nicht daran, dass sich hierdurch das gesamte Vermögen des Erblassers in der A GmbH, einschließlich der Gesellschaftsanteile derselben GmbH, vereinigt. Zwar liegt dann eine gesellschafterlose bzw. „Keinmann“- GmbH vor, die von § 1 GmbHG abweicht, nach dem wenigstens eine Person als Gesellschafter zugeordnet sein muss. Allerdings schließt sich der Senat der h.M. an, dass eine GmbH nicht von Anfang an gesellschafterlos gegründet werden kann, eine nachträglich entstehende Keinmann – GmbH aber nur dazu führt, dass diese nicht auf Dauer so bestehen kann und andernfalls aufzulösen ist. Vorliegend sollen die A GmbH nur vorübergehend gesellschafterlos bleiben und die Verfügungsklägerin nach testamentarischer Anordnung die Gesellschafterstellung erhalten. Eine Handlungsunfähigkeit der GmbH ist ebenfalls nicht gegeben, da ein Notgeschäftsführer bestellt werden kann, wie hier auch geschehen. Die Unterlassungsansprüche aus §§ 823, 830 i.V.m. § 1004 I BGB ergeben sich auch nicht aus dem Vermächtnisanspruch der Klägerin. Zwar folgt daraus ein Anspruch auf Erfüllung des Vermächtnisses und damit ein abgeleiteter Unterlassungsanspruch, soweit sie zur Sicherung des Vermächtnisanspruchs notwendig sind. Allerdings richten sich sowohl Erfüllungs- als auch Unterlassungsansprüche allein gegen die Erbin und nicht gegen dritte Personen, wie hier die Verfügungsbeklagten.

Der Verfügungsklägerin stehen aber Unterlassungsansprüche gegen den Verfügungsbeklagten 1 aus §§ 826 i.V.m § 1004 BGB zu. Anders als § 823 BGB schützt § 826 BGB auch das Vermögen und damit den Anspruch der VK aus dem Vermächtnis auf Einrücken in die Gesellschafterstellung. Indem sich der VB 1 mit der Übertragung der Immobilien auf die von ihm beherrschte neue GmbH in erheblicher Weise zulasten der VK über den Erblasserwillen hinweggesetzt hat, hat er die VK vorsätzlich und sittenwidrig in ihrem Vermögen geschädigt. Aus diesem Verstoß folgt allerdings nur ein Anspruch auf zukünftige Unterlassung weiterer vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung der VK durch den VB 1. Demnach könnten ihm allenfalls untersagt werden, weitere Vermögensverschiebungen vorzunehmen. Mit ihrem Antrag macht die VK allerdings Unterlassungsansprüche deutlich, die letztlich jegliches Handeln des VB 1 für A GmbH unterbinden sollen. Ein solcher Unterlassungsantrag, der einschränkungslos eine Vielzahl möglicher Fallgestaltungen erfasst, ist als sog. Globalantrag als unbegründet abzuweisen.

Es ergeben sich auch keine Unterlassungsansprüche aus §§ 2216 BGB in Verbindung mit § 1004 BGB analog. Dabei steht der Klägerin zwar grundsätzlich ein Anspruch aus § 2216 BGB auf ordnungsgemäße Verwaltung ihres Vermächtnisses zu. Ein daraus folgender Unterlassungsanspruch kann sich jedoch nur auf einzelne konkrete Handlungen beziehen und nicht jegliches Handeln im Rahmen der Testamentsvollstreckung untersagen.  Dies ginge nur über die Entlassung des Testamentsvollstreckers gem. § 2227 BGB. Die Entlassungsentscheidung kann dabei nicht durch das Prozessgericht herbeigeführt werden, denn für ein solches einstweiliges Tätigkeitsverbot vor Rechtskräftigkeit, ist das Nachlassgericht zuständig. Die § 49 ff. FamFG bieten hierfür eine ausreichende verfahrensrechtliche Grundlage. Eine Umdeutung des Antrages nach § 17 II 1 GVG kommt auch nicht in Betracht. Die in § 17 Abs. 2 S. 1 GVG geregelte rechtswegübergreifende Zuständigkeit ermächtigt nicht außerhalb des eigentlichen Streit- bzw. Verfahrensgegenstands rechtswegfremde Normen zu prüfen. Dies geschah hier, da bei auf die § 823 ff. i.V.m. § 1004 BGB gestützten Unterlassungsansprüchen es sich um gewöhnliche zivilrechtliche Unterlassungsansprüche handelt, wohingegen das Entlassungsverfahren nach § 2227 BGB einen hoheitlichen Gestaltungsakt darstellt. Darüber hinaus stellt die von der Klägerin angestrebte Geltendmachung der Ansprüche im Wege der Prozessstandschaft eine Klagänderung dar, welche eine Einwilligung des Beklagten verlangt.

Praxishinweis | OLG Hamburg 2 U 2/23

Erbe kann gem. § 1923 I BGB jede Person sein, die zum Zeitpunkt des Erbfalls noch lebt. Nach einhelliger Ansicht bezieht sich das nicht nur auf natürliche Personen, sondern auch juristische Personen, sodass auch diese als Erben eingesetzt werden können. Erforderlich ist dafür, dass die juristische Person zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits bestanden hat. Die hier vom Erblasser anknüpfende Rechtsfolge, dass eine andere gemeinnützige GmbH im Wege der Ersatzerbfolge, § 2096 BGB, Alleinerbin sein soll, ist rechtlich nicht möglich.

Bei der Auslegung letztwilliger Verfügungen ist zwar zunächst vom Wortlaut auszugehen. Gemäß § 133 BGB ist dabei aber der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, weshalb eine vom Wortsinn abweichende Auslegung zulässig ist, ohne dass es auf den einschränkenden Maßstab der Auslegung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (§ 157 BGB) ankäme. Bei der Ermittlung des wirklichen Willens des Erblassers sind alle Umstände heranzuziehen, auch wenn sie außerhalb der Urkunde liegen. Dabei können neben dem Inhalt des Testaments und dem Aufbau seines Textes, auch frühere oder spätere Testamente oder sonstige schriftlichen Aufzeichnungen sowie mündliche Äußerungen des Erblassers vor oder nach Niederlegung seines letzten Willens von Bedeutung sein.