BayObLG 102 SchH 99/21
Formerfordernisses einer Schiedsvereinbarung bei GbR

03.04.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BayObLG
19.08.2022
102 SchH 99/21
NZG 2022, 1344

Leitsatz | BayObLG 102 SchH 99/21

  1. Für den der Gesellschaft bürgerlichen Rechts beitretenden Gesellschafter kann eine Schiedsklausel im Gesellschaftsvertrag bzw. eine Schiedsabrede nur dann Wirksamkeit entfalten, wenn eine dem Gesetz entsprechende formgerechte Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern vorliegt; lediglich in Fallkonstellationen, in denen der Eintretende im Wege der Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge oder durch Ausübung eines rechtsgeschäftlichen Eintrittsrechts die Position eines anderen Gesellschafters übernimmt, bindet eine bestehende, rechtswirksam begründete Schiedsvereinbarung den neuen Gesellschafter, ohne dass es eines gesonderten Beitritts zum Schiedsvertrag in der Form des § 1031 ZPO bedarf.
  2. Im Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO ist derjenige darlegungs- und beweispflichtig für das wirksame Zustandekommen einer formgültigen Schiedsvereinbarung, der sich darauf beruft. Verbleibende Zweifel gehen - unabhängig von den jeweiligen Parteirollen - zu Lasten derjenigen Partei, die einen wirksamen Abschluss behauptet. (Amtl. Leitsätze)

Sachverhalt | BayObLG 102 SchH 99/21

Die Antragsteller sind Gesellschafter einer landwirtschaftlichen Maschinengemeinschaft in der Rechtsform einer GbR mit ca. 600 Gesellschaftern. Sie halten eine Schiedsklausel im Gesellschaftsvertrag für unwirksam und begehren die Feststellung der Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens für bestimmte, von ihnen beabsichtigte Streitigkeiten. Hintergrund der Streitigkeiten sind Umstrukturierungsmaßnahmen des ersten Vorstands der Antragsgegnerin, die die Antragsteller ablehnen, sowie nach Ansicht der Antragsteller unwirksame Beschlussfassungen der Gesellschafterversammlung, die mit Hilfe von „Stimmzetteln“ vom 30. Juni 2020 und 11. August 2020 in einem schriftlichen Umlaufverfahren erfolgt sind.

Die Gesellschafterversammlung fasste zu dem Gesellschaftsvertrag im Jahr 2010 einen Beschluss, ohne dass sich Abweichungen hinsichtlich der Schiedsklausel ergeben haben. Die Antragsteller führten im Wesentlichen aus, dass die Schiedsklausel im Gesellschaftsvertrag 2004/2010 diesen Anforderungen nicht gerecht werde und deshalb nach § 138 BGB unwirksam sei.

Entscheidung | BayObLG 102 SchH 99/21

Das BayObLG entschied, dass die beiden Feststellungsanträge nach §§ 1025 Abs. 1, 1032 Abs. 2 ZPO statthaft und im Übrigen zulässig seien. Nach § 1032 Abs. 2 ZPO könne bis zur Bildung eines Schiedsgerichts Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens gestellt werden. Im Rahmen dieses Antrags nach § 1032 Abs. 2 ZPO prüfe das staatliche Gericht, ob eine wirksame Schiedsvereinbarung bestehe, diese durchführbar sei und der Gegenstand des Schiedsverfahrens der Schiedsvereinbarung unterfalle. Eine gezielte Zulässigkeitsprüfung auch im Hinblick auf den Streitgegenstand folge aus dem einheitlichen Prüfungsumfang von § 1032 Abs. 2 ZPO, entspreche der Prozessökonomie und sei daher zulässig.

Den Feststellungsanträgen sei daher stattzugeben, da eine formwirksame Schiedsvereinbarung nicht dargetan worden sei. Es könne dabei offenbleiben, ob die Auslegung des Gesellschaftsvertrags (2004/2010) ergeben würde, dass die Klausel in ihrer Reichweite die beabsichtigten Klageanträge erfasse, ebenso wie die im Verfahren kontrovers diskutierte Frage, ob die Schiedsklausel nach § 138 i.V.m. § 139 BGB ganz oder teilweise nichtig sei.

Es komme vorliegend nach dem Vortrag der Parteien nur eine mit Beitritt oder zu einem späteren Zeitpunkt geschlossene Schiedsvereinbarung zwischen den Gesellschaftern in Betracht, die Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft mitumfasse. Anders als bei Kapitalgesellschaften sei nach h.M. bei Personengesellschaften, bei denen Bildung und Beitritt auf vertraglicher Grundlage beruhen würden, für Schiedsabreden die Formvorschrift des § 1031 ZPO zu beachten und § 1066 ZPO nicht anwendbar. Der Beitritt zu einer Personengesellschaft vollziehe sich durch Vertrag mit sämtlichen schon vorhandenen Gesellschaftern, und zwar auch dann, wenn es sich um eine Publikumsgesellschaft handele, weswegen die Übernahme eines bei Gründung der Gesellschaft abgeschlossenen Schiedsvertrags nicht selbstverständlich sei.

Die Gründung und der spätere Beitritt zu einer GbR seien zwar auch formlos möglich. Gerade, wenn der Gesellschaftsvertrag jedoch eine Schiedsvereinbarung enthielte, seien keine Gründe ersichtlich, weswegen die Wahrung des der Warnung dienenden Formerfordernisses des § 1031 ZPO entbehrlich wäre. Für den der GbR beitretenden Gesellschafter könne eine Schiedsklausel im Gesellschaftsvertrag oder eine Schiedsabrede also nur dann Wirksamkeit entfalten, wenn eine dem Gesetz entsprechende formgerechte Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern vorläge. Anders könne dies nur in Fallkonstellationen gewertet werden, in denen der Eintretende im Wege der Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge oder durch Ausübung eines rechtsgeschäftlichen Eintrittsrechts die Position eines anderen Gesellschafters übernehme, dann binde eine bestehende, rechtswirksam begründete Schiedsvereinbarung. Das BayOblG führt aus, dass darlegungs- und beweispflichtig derjenige sei, der sich auf die Schiedsvereinbarung berufe. Jedenfalls für Verfahren nach § 1032 Abs. 1 ZPO sei diese Verteilung weitgehend anerkannt.

Nach Ansicht des BayOblG sei diese Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO gleichermaßen sachgerecht. Der in Art. 19 Abs. 4 GG verankerte Justizgewähranspruch umfasse das Recht auf Zugang zu staatlichen Gerichten. Voraussetzung für eine Vollstreckbarkeitserklärung eines Schiedsspruchs sei deshalb, dass sich der freie Wille der Parteien zur Unterwerfung unter den Spruch eines privaten Schiedsgerichts unter Verzicht auf die Entscheidung staatlicher Gerichte eindeutig feststellen lasse. Aus diesen Grundsätzen ergebe sich eine Vorwirkung auf Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO, in denen die Zulässigkeit oder die Unzulässigkeit eines schiedsgerichtlichen Verfahrens festgestellt werden solle. Verblieben Zweifel am wirksamen Abschluss einer Schiedsvereinbarung, gingen diese zu Lasten derjenigen Partei, die einen wirksamen Abschluss behaupte.

Keiner der Beteiligten habe im Streitfall ausreichend vorgetragen, dass es eine von allen Gesellschaftern unterzeichnete Schiedsvereinbarung gegeben habe. Ebenso wenig sei von den Parteien ein den Anforderungen des § 1031 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 ZPO genügender Austausch von Nachrichten in Bezug auf den Abschluss einer Schiedsvereinbarung dargelegt worden. Es ergebe sich aus dem Vortrag der Parteien weder, dass diesbezügliche Erklärungen unter den Gesellschaftern ausgetauscht worden seien, noch wann, in welcher Form und mit welchem Inhalt eine Kommunikation zwischen den Gesellschaftern stattgefunden habe.

Praxishinweis | BayObLG 102 SchH 99/21

Bestehen Zweifel an der Wirksamkeit der Schiedsgerichtsabrede, so kann der Formmangel durch rügeloses Einlassen auf die schiedsgerichtliche Verhandlung geheilt werden, § 1031 Abs. 6 ZPO. Es ist ausreichend, dass sich per Schriftsatz eingelassen wird. Solange sich die Partei gem. § 1040 Abs. 3 S. 3 ZPO nur vorsorglich zur Sache zu erklären, reicht dies zur Heilung aber nicht aus.