12.04.2024
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
KG
16.10.2023
2 AktG 1/23
ZIP 2023, 2360
Die Antragstellerin – eine börsennotierte Aktiengesellschaft mit Sitz in Berlin – nimmt die Antragsgegnerin in einem aktienrechtlichen Freigabeverfahren in Anspruch. Das Grundkapital der Ast. ist in insgesamt 109.416.860 Stückaktien zu je 1 EUR eingeteilt. Das Grundkapital der Ast. besteht aus 109.416.860 Stückaktien zu je 1 EUR. Am 22.03.2023 veröffentlichte sie eine Einladung zur außerordentlichen Hauptversammlung am 28.4.2023. Die Tagesordnung umfasst die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Hauptaktionärin A S A gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung gemäß §§ 327a ff. AktG.
Die Hauptversammlung fand am 28.4.2023 statt, bei der der Übertragungsbeschluss mit der erforderlichen Mehrheit zustande kam. Aktionäre haben gegen diese Beschlussfassung Beschlussmängelklagen erhoben und dabei unter anderem eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme des Squeeze-out-Verfahrens beanstandet. Die Antragsgegnerin hat nach §§ 327e II, 319 VI AktG die Freigabe des streitgegenständlichen Übertragungsbeschlusses beantragt.
Das Kammergericht entschied zugunsten der Antragstellerin. Es stellte fest, dass die anhängigen Klagen der Antragsgegner der Eintragung des Squeeze-out-Beschlusses nicht entgegenstehen.
Das Freigabebegehren ist auch gegenüber sämtlichen Antragsgegnern nach §§ 327e II, 319 VI 3 Nr. 3 AktG begründet. Nach diesen Vorschriften muss ein Freigabebeschluss erlassen werden, wenn das zügige Wirksamwerden des Hauptversammlungsbeschlusses vorrangig erscheint. Dabei wird eine wirtschaftliche Abwägung vorgenommen, um zu prüfen, ob die vom Antragsteller dargelegten wesentlichen Nachteile für die Gesellschaft und ihre Aktionäre die Nachteile für die Antragsgegner überwiegen. Dies erfolgt anhand von zwei Schritten. Es erfolgt zunächst eine Abwägung des Eintragungsinteresses der Gesellschaft mit den wirtschaftlichen Interessen der Aktionäre. Anschließend wird festgestellt, ob ein Rechtsverstoß vorliegt. Bei Vorrang des Eintragungsinteresses ermittelt das Gericht, ob der Rechtsverstoß so gravierend ist, dass eine Eintragung des Beschlusses nicht hingenommen werden kann. Eine Schwere ist nach dem KG insbesondere dann anzunehmen, wenn der rechtswidrige Zustand nicht durch Schadensersatz angemessen kompensiert werden könnte.
Dies ist der Fall bei einem rechtsmissbräuchlichen Squeeze-Out. Anhaltspunkte für Rechtsmissbrauch durch bewusste Zweckentfremdung liegen vor, wenn Raum für die Annahme besteht, dass die Hauptaktionärin den Squeeze-out mit dem Ziel des Unterlaufens der Sonderprüfung betreibt. Diesen Anforderungen wurde die Antragsgegnerin vorliegend nicht gerecht. Sie konnte keine überwiegenden Nachteile durch den Squeeze Out ausreichend darlegen.
Ein Squeeze Out an sich begründet kein Freigabeverfahren. Es bedarf keiner Rechtfertigung auf Seiten der AG. Die Darlegungslast liegt bei den Aktionären.
Die Anforderungen an den Nachweis schwerer Nachteile sind so streng, dass davon auszugehen ist, sodass die Rspr. in Zweifelsfällen auf die Durchführung des Squeeze Outs pocht.