OLG Düsseldorf 26 W 6/23 [AktE]
Keine gesonderte Wertfestsetzung vor Verbindung der einzelnen Anträge im Spruchverfahren

17.07.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Düsseldorf
26.10.2023
26 W 6/23 [AktE]
AG 2024, 174

Leitsatz | OLG Düsseldorf 26 W 6/23 [AktE]

Im gesellschaftsrechtlichen Spruchverfahren kommt eine gesonderte Wertfestsetzung für den Zeitraum vor der Verbindung der einzelnen Anträge auf Durchführung eines Spruchverfahrens nicht in Betracht, weil die Antragsteller nach dem Willen des Gesetzgebers keine originären Kostenschuldner sind, die Einleitung des Spruchverfahrens daher nicht von einem Vorschuss abhängig ist und die Festsetzung des Geschäftswerts ohnehin erst – abhängig von dem Ausgang des Spruchverfahrens – mit Abschluss der Instanz erfolgen kann.

Sachverhalt | OLG Düsseldorf 26 W 6/23 [AktE]

Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens ist die in der Hauptversammlung der R-AG vom 27.06.2014 anlässlich der Verschmelzung der R-AG auf die seinerzeitige Hauptaktionärin, die L-AG, beschlossene Übertragung der Aktien von Minderheitsaktionären auf diese gegen Gewährung einer Barabfindung (sog. verschmelzungsrechtlicher Squeeze-Out). Die Antragsteller als frühere Aktionäre rügten die beschlossene Barabfindung in Höhe von 11,27 € je Aktie als unangemessen und zu gering.

39 aus der Gesellschaft ausgeschlossene Aktionäre stellten einen Antrag auf gerichtliche Überprüfung der Barabfindung beim LG Düsseldorf. Die Anträge auf Einleitung eines aktienrechtlichen Spruchverfahrens wurden von der 5. KfH des LG Düsseldorf mit Beschluss vom 19.03.2015 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Mit Beschluss vom 01.06.2018 wies die Kammer den Antrag des Antragstellers zu 30) als unzulässig und die übrigen Anträge als unbegründet zurück. Gemäß dem Kostenausspruch hat die Antragsgegnerin die Gerichtskosten sowie die Vergütung und Auslagen des gemeinsamen Vertreters der nicht am Verfahren beteiligten Minderheitsaktionäre zu tragen. Die Kammer hat den Geschäftswert für die Gerichtsgebühren, der gem. § 6 Abs. 2 S. 3 SpruchG gleichzeitig als Gegenstandswert für die Vergütung des gemeinsamen Vertreters dient, gem. § 74 S. 1 GKG auf 200.000 € festgesetzt.

Die von einzelnen Antragstellern gegen diese Entscheidung eingelegten sofortigen Beschwerden wurden vom Senat mit Beschluss vom 13.09.2021 zurückgewiesen. Gegen die Festsetzung des Geschäftswerts durch Beschluss der 5. KfH des LG Düsseldorf hat der Bezirksrevisor beim LG Düsseldorf für die Landeskasse am 16.06.2023 gem. § 83 GNotKG Beschwerde eingelegt. Er ist der Ansicht, dass die Zusammenführung mehrerer Verfahren zu einem einheitlichen Verfahren keine rückwirkende Wirkung und daher keinen Einfluss auf die bereits entstandene allgemeine Verfahrensgebühr nach Nummer 13500 KV GNotKG habe.

Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Die 39 Anträge auf Festsetzung einer höheren Barabfindung, die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden seien, seien nicht als gebührenrechtlich selbstständig vor ihrer Verbindung zu behandeln, da sie sich sämtlich und einheitlich gegen den denselben Streitgegenstand richten – die Festsetzung der Barabfindung.

Entscheidung | OLG Düsseldorf 26 W 6/23 [AktE]

Die Beschwerde des Bezirksrevisors hat keinen Erfolg.

Das LG habe zu Recht abgelehnt, für den Zeitraum vor der Verbindung eigenständige Geschäftswerte für die einzelnen Anträge der Antragsteller anzusetzen.

In Verfahren nach dem Spruchverfahrensgesetz seien zur Ermittlung der Gerichtskosten die Vorschriften des GNotKG anzuwenden (§ 1 Abs. 2 Nr. 5 GNotKG), insbesondere die Regelungen zum Auslagenvorschuss in § 14 Abs. 3 S. 2 GNotKG, zum Kostenschuldner in § 23 Nr. 14 GNotKG und zum Geschäftswert in § 74 GNotKG.

Der Geschäftswert für das Spruchverfahren bemesse sich nach § 74 GNotKG. Der Geschäftswert berücksichtige den Umstand, dass die Entscheidung in einem Spruchverfahren gemäß § 13 S. 2 SpruchG materielle Rechtskraft nicht nur für und gegen die Verfahrensbeteiligten entfaltet, sondern auch für und gegen alle anderen Anteilsinhaber, die formell nicht am Verfahren beteiligt sind. Der Geschäftswert bestimme sich daher grundsätzlich nach dem Betrag, der von allen berechtigten Anteilsinhabern (nicht nur von den tatsächlichen Antragssteller) nach der Entscheidung im Spruchverfahren zusätzlich zu dem ursprünglich angebotenen Betrag insgesamt gefordert werden kann.

Kostenschuldner der Gerichtskosten sei grundsätzlich allein der Antragsgegner (§ 23 Nr. 14 GNotKG). Ein Vorschuss auf die Gebühren könne nur in Ausnahmefällen verlangt werden. Zudem könne das gesetzlich vorgeschriebene Spruchverfahren erst nach Verbindung aller Anträge durchgeführt werden. Die Verbindung, die gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 8 SpruchG in die Zuständigkeit des Vorsitzenden fällt, sei zwar nicht ausdrücklich vorgeschrieben, jedoch aufgrund der inter-omnes-Wirkung der abschließenden Entscheidung zwingend sachdienlich (vgl. § 20 FamFG).

Nach Maßgabe dessen erfolge eine Festsetzung des Geschäftswerts gem. § 79 Abs. 1 S. 1 GNotKG von Amts wegen erst, wenn eine Entscheidung über den gesamten Verfahrensgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. Demnach habe das LG nach Auffassung des OLG Düsseldorf mit dem das erstinstanzliche Verfahren abschließenden Beschluss den Geschäftswert für das vorliegende Spruchverfahren, das nach seiner Entscheidung zu keiner Änderung der Kompensation geführt hat, richtigerweise auf den Mindestwert von 200.000 € festgesetzt.

Für eine gesonderte Wertfestsetzung für den Zeitraum vor der Verbindung der einzelnen Anträge auf Durchführung eines Spruchverfahrens sei – entgegen der Auffassung des Bezirksrevisors – kein Raum. Insbesondere die gebührenrechtlichen Folgen einer Verbindung von Verfahren betreffend bürgerlicher Rechtsstreitigkeiten ließen sich nicht auf das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren als Verfahren sui generis im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit den oben dargestellten Sonderregelungen übertragen. Denn die Antragsteller seien nach dem Willen des Gesetzgebers keine originären Kostenschuldner, die Einleitung des Spruchverfahrens sei also nicht von einem Vorschuss abhängig und die Festsetzung des Geschäftswerts könne ohnehin erst – abhängig von dem Ausgang des Spruchverfahrens – mit Abschluss der Instanz erfolgen.

Praxishinweis | OLG Düsseldorf 26 W 6/23 [AktE]

Im gesellschaftsrechtlichen Spruchverfahren kommt eine gesonderte Wertfestsetzung für den Zeitraum vor der Verbindung der einzelnen Anträge auf Durchführung eines Spruchverfahrens nicht in Betracht. Als Klage sui generis sind auf das Spruchverfahren insbesondere die gebührenrechtlichen Folgen einer Verbindung von Verfahren betreffend bürgerliche Rechtsstreitigkeiten – z.B. § 246 Abs. 3 S. 6 AktG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 GKG – nicht zu übertragen. Die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf untermauert demnach mit der vorliegenden Entscheidung in Anlehnung an den gesetzgeberischen Willen das geringe Kostenrisiko des Antragsstellers im Spruchverfahren.