OLG Stuttgart 8 W 159/22
Nachweis über die Annahme des Testamentsvollstreckeramtes bei Eintragung einer Eigentumsänderung

05.07.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
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Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Stuttgart
01.08.2022
8 W 159/22
BeckRS 2022, 43710

Leitsatz | OLG Stuttgart 8 W 159/22

  1. Der Nachweis der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers vor dem Grundbuchamt kann durch Vorlage eines Testamentsvollstreckerzeugnisses (§ 35 Abs. 2 1. Hs. GBO) oder durch Vorlage einer beglaubigten Abschrift des in öffentlicher Urkunde enthaltenen Testaments und der Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung von Todes wegen geführt werden (§ 35 Abs. 2 2. Hs. i. V. m. Abs. 1 Satz 2 GBO).
  2. Materiellrechtlich ist die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers u.a. von der Annahme des Testamentsvollstreckeramtes durch die ernannte Person (§ 2202 BGB) abhängig. Der Nachweis der Annahme ist gegenüber dem Grundbuchamt in der Form des § 29 GBO zu erbringen.
  3. Geht bei Nachweis durch Verfügung von Todes wegen in öffentlicher Urkunde aus der Niederschrift über ihre Eröffnung nicht hervor, dass der Testamentsvollstrecker sein Amt gegenüber dem Nachlassgericht angenommen hat, kann die Annahme des Amtes auch durch ein sog. Annahmezeugnis als Sonderform des Testamentsvollstreckungszeugnisses oder eine Eingangsbestätigung des Nachlassgerichts nachgewiesen werden. Eine Eingangsbestätigung erfüllt die Anforderungen des Grundbuchamtes nur, wenn der Testamentsvollstrecker die Annahme des Amtes in öffentlich beglaubigter Form oder zu Protokoll des Nachlassgerichts erklärt hat.
  4. Die schlichte Bestätigung des Nachlassgerichts über den dortigen Eingang einer privatschriftlichen Annahmeerklärung ist ebenso wenig ausreichend wie die einfache Erklärung in einer vorgelegten (notariell beglaubigten) Eintragungsbewilligung, dass der Testamentsvollstrecker sein Amt gegenüber dem Nachlassgericht angenommen hat.
  5. Hatte der Antragsteller die Annahme des Testamentsvollstreckeramtes im Zeitpunkt der Beurkundung der Auflassung noch nicht gegenüber dem Nachlassgericht erklärt, ist die Auflassung als Verfügung eines Nichtberechtigten unwirksam. Der Testamentsvollstrecker kann nach Amtsannahme die Genehmigung in der Form des § 29 GBO erklären, um die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts herbeizuführen. Eine (analoge) Anwendbarkeit von § 185 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB scheidet aus.

Sachverhalt | OLG Stuttgart 8 W 159/22

Mit notariell beurkundetem Testament vom 15.06.2018 hatte die Erblasserin E dem Antragssteller V das Eigentum an dem verfahrensgegenständlichen Grundstück zugewandt. Zugleich ernannte E den V zum Testamentsvollstrecker und befreite ihn von den Beschränkungen des § 181 BGB.

Mit notariell beurkundeten Vertrag vom 05.01.2021 hat V das Grundstück zwecks Erfüllung seines Vermächtnisanspruchs an sich aufgelassen und die Eintragung der Eigentumsänderung bewilligt und beantragt. Zugleich hat V in der Urkunde erklärt, das Amt des Testamentsvollstreckers angenommen zu haben und dies vorsorglich nochmals bestätigt. Der vertretungsbefugte Notar hat den Antrag am 03.02.2021 beim zuständigen Grundbuchamt eingereicht.

Das Grundbuchamt stellte mit einer Zwischenverfügung vom 11.02.2022 fest, dass dem Antrag auf Eintragung der Eigentumsänderung ein Hindernis entgegensteht. Die Annahme des Testamentsvollstreckeramts müsse dem Grundbuchamt in der Form der §§ 35, 29 GBO nachgewiesen werden. Die Annahmeerklärung müsse zudem zeitlich vor der Erklärung der Auflassung beim Nachlassgericht eingegangen sein. Falls zum Zeitpunkt der Beurkundung der Auflassung kein Nachweis über das Bestehen des Amtes in grundbuchtauglicher Form vorliegt, wäre nach Vorliegen des ordnungsgemäßen Nachweises über die Annahme des Testamentsvollstreckeramtes eine Genehmigungserklärung des Testamentsvollstreckers zur Auflassung vom 05.01.2021 in der Form des § 29 GBO abzugeben.

Hiergegen hat V Beschwerde vor dem Grundbuchamt eingelegt. Er ist der Ansicht, es sei nicht erforderlich, dass die die Form des § 29 GBO wahrende Erklärung beim Nachlassgericht zeitlich vor Erklärung der Auflassung eingegangen ist.

Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 11.05.2022 der Beschwerde nicht abgeholfen. Da § 185 BGB für den Testamentsvollstrecker nicht gelte, könne eine Erklärung, die der Testamentsvollstrecker vor seiner Amtsannahme als noch nicht im Amt befindlicher Testamentsvollstrecker abgibt, nicht durch die spätere Amtsannahme wirksam werden.

Entscheidung | OLG Stuttgart 8 W 159/22

Die Beschwerde gem. § 71 GBO hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Grundbuchamt habe die Eintragung der Eigentumsänderung zu Recht von der Vorlage eines ordnungsgemäßen Nachweises über die Annahme des Testamentsvollstreckeramtes und für den – hier vorliegenden – Fall, dass ein grundbuchtauglicher Nachweis der Amtsannahme vor Beurkundung der Auflassung nicht vorliegen sollte, von der Erklärung der Genehmigung des Testamentsvollstreckers zur Auflassung vom 05.01.2021 in der Form des § 29 GBO abhängig gemacht.

Gemäß § 20 GBO sei im Falle der Auflassung eines Grundstücks die Prüfung einer wirksamen Einigung zwischen dem Berechtigten und dem Erwerber durch das Grundbuchamt erforderlich. Demzufolge sei auch der Nachweis zu erbringen, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Erklärung der Auflassung berechtigt war, über den Nachlassgegenstand zu verfügen. Dieser Nachweis könne durch die Vorlage eines Testamentsvollstreckerzeugnisses gem. § 35 Abs. 2 S. 1 GBO oder durch die Vorlage einer beglaubigten Abschrift des Testaments und der Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung in öffentlicher Urkunde gemäß § 35 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 2 GBO erbracht werden.

Materiellrechtlich sei das Entstehen der Testamentsvollstreckerberechtigung darüber hinaus noch abhängig von der Annahme des Testamentsvollstreckeramtes durch die ernannte Person (§ 2202 BGB). Dieser Nachweis der Annahme sei gegenüber dem Grundbuchamt in der Form des § 29 GBO zu führen. Gehe aus der Niederschrift über die Eröffnung einer Verfügung von Todes wegen in öffentlicher Urkunde nicht hervor, dass der Testamentsvollstrecker sein Amt gegenüber dem Nachlassgericht angenommen hat, könne die Annahme des Amtes nur durch ein sogenanntes Annahmezeugnis als Sonderform des Testamentsvollstreckungszeugnisses oder eine Eingangsbestätigung des Nachlassgerichts nachgewiesen werden. Eine Eingangsbestätigung erfülle die Anforderungen des Grundbuchamtes nur, wenn der Testamentsvollstrecker die Annahme des Amtes in öffentlich beglaubigter Form oder zu Protokoll des Nachlassgerichts erklärt hat.

Zwar sei die von V eingereichte Bestätigung des Eingangs der notariell beglaubigten Erklärung vom 05.01.2021 des Nachlassgerichts ein grundbuchtauglicher Nachweis über die Annahme des Amtes. Jedoch beginne das Amt und die damit verbundene Verfügungsbefugnis gemäß § 2202 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 1 BGB erst mit der förmlichen Amtsannahme gegenüber dem Nachlassgericht, sodass die Eingangsbestätigung des Nachlassgerichts nicht in grundbuchtauglicher Form belegt, dass der Antragsteller bei Abgabe der Auflassungserklärung schon Testamentsvollstrecker war. Habe der Antragsteller die Annahme des Testamentsvollstreckeramtes im Zeitpunkt der Beurkundung der Auflassung noch nicht gegenüber dem Nachlassgericht – in der erforderlichen Form – erklärt, sei die Auflassung als Verfügung eines Nichtberechtigten unwirksam. Die Verfügung werde auch nicht nachträglich gem. § 185 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB wirksam, da der Testamentsvollstrecker den Gegenstand, über den er verfügt hat, nicht durch die Erlangung des Amtes „erwerbe“. Die Vorschrift sei auch nicht analog anwendbar, da der der Vorschrift zugrunde liegende Rechtsgedanke – widersprüchliches Verhalten auf der Seite des nichtberechtigt Verfügenden nicht gelten zu lassen – auf die vorliegende Konstellation nicht übertragbar sei, weil die Wirkungen seines Handelns nicht den Testamentsvollstrecker selbst, sondern den Erben treffen würden (also zu Lasten fremden Vermögens).

Praxishinweis | OLG Stuttgart 8 W 159/22

Obwohl die Erklärung der Annahme des Testamentsvollstreckeramtes materiellrechtlich formfrei ist, sind im Fall der Auflassung eines Grundstücks jedoch mehrere formbedürftige Nachweise zu erbringen, damit eine Eintragung der Eigentumsänderung im Grundbuch durch das Grundbuchamt erfolgt.

Einerseits muss der Testamentsvollstrecker seine grundsätzliche Verfügungsbefugnis – also die Anordnung als Testamentsvollstrecker – nachweisen. Dies kann durch Vorlage eines Testamentsvollstreckerzeugnisses, eines Europäischen Nachlasszeugnisses oder einer beglaubigten Abschrift des in öffentlicher Urkunde enthaltenen Testaments und der Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung erfolgen.

Andererseits muss der Testamentsvollstrecker auch die Annahme des Amtes gegenüber dem Grundbuchamt nachweisen und zwar in der Form des § 29 GBO. Geht aus der in einer öffentlichen Urkunde enthaltenen Verfügung von Todes wegen samt Eröffnungsniederschrift die Amtsannahme hervor – etwa aufgrund einer Erklärung zu Protokoll des Nachlassgerichts – ist kein weiterer Nachweis gegenüber dem Grundbuchamt erforderlich. Ansonsten kann die Annahme des Amtes auch durch ein sog. Annahmezeugnis als Sonderform des Testamentsvollstreckungszeugnisses oder eine Eingangsbestätigung des Nachlassgerichts, sofern der Testamentsvollstrecker dort die Annahme des Amtes in öffentlich beglaubigter Form oder zu Protokoll erklärt hat, nachgewiesen werden.

Wird die Auflassung vor der in der erforderlichen Form abzugebenden Amtsannahme erklärt, ist die Auflassung (schwebend) unwirksam. In diesem Fall kann der Testamentsvollstrecker nach der Amtsannahme die Genehmigung in der Form des § 29 GBO erklären, um die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts herbeizuführen. Eine (analoge) Anwendung des § 185 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 scheidet aus.