OLG Brandenburg 7 U 213/21
Persönliche Haftung eines BGB-Gesellschafters für Anspruch aus Vertragsverhältnis mit der Gesellschaft nur bei Ansprüchen außerhalb des Gesellschaftsvertrages

01.05.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Brandenburg
24.08.2022
7 U 213/21
NZG 2022, 1483

Leitsatz | OLG Brandenburg 7 U 213/21

  1. Voraussetzung der persönlichen Haftung des Beklagten für Ansprüche eines Gesellschafters aus einem Vertragsverhältnis mit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist der Abschluss eines Vertrages, der außerhalb des Gesellschaftsvertrages mit dem Mitgesellschafter geschlossen wird und Leistungsansprüche des Gesellschafters begründet, die sich nicht bereits aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben.
  2. Die Regelung von individuellen Gewinnansprüchen, die gesellschaftsvertraglich nicht vorgesehen sind, betrifft das Recht aller Gesellschafter als mitgliedschaftliches Recht und damit die Grundlagen der Gesellschaft. Änderungen in diesem Bereich sind grundsätzlich nur einstimmig und unter Beteiligung aller Gesellschafter zulässig.

Sachverhalt | OLG Brandenburg 7 U 213/21

Der Kläger hatte am 30.08.2012 mit einer GbR einen Beratervertrag geschlossen und diesen bis zum 31.07.2015 verlängert. Vertragsgegenstand war die Beratung für ein Bauprojekt, für welche der Kläger monatlich 4.500 € erhalten sollte. In einem Vergleich hatten der Beklagte und die GbR ein Ausscheiden des Beklagten zum 31.12.2016 vereinbart. Der Kläger verlangt vom Beklagten vorrangig die noch ausstehende Vergütung für Januar bis Mai 2015 und hilfsweise die Vergütung für Januar 2017 bis Februar 2018.

Eine persönliche Haftung des Beklagten ergebe sich nach Meinung des Klägers daraus, dass eine Verbindlichkeit aus einem Drittverhältnis der Gesellschaft vorlag. Hierbei stehe der Kläger der GbR wie ein nicht beteiligter Dritter als Vertragspartner gegenüber. Auch müsse er nicht wegen seiner gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht zuerst die GbR oder die früheren Mitgesellschafter in Anspruch nehmen. Der beklagte Gesellschafter habe zwar einen Freistellungs- bzw. Aufwendungsersatzanspruch; dies stehe aber nicht seiner Haftung im Außenverhältnis entgegen. Der Kläger müsse sich nicht die Mithaftung der übrigen Gesellschafter entgegenhalten lassen. Vielmehr gebiete die Treuepflicht nur im Einzelfall eine Einschränkung der Inanspruchnahme der Mitgesellschafter. Hier sei zu berücksichtigen, dass sich der Beklagte selbst gegenüber der GbR treuwidrig verhalten, eine wichtige Zustimmung verweigert und eine Einlage nicht geleistet habe. Außerdem sei eine Verlängerung des Vertrags auch bis zum 31.07.2017 mit Mehrheitsentscheidung der übrigen Gesellschafter beschlossen worden. Diese sei spätestens nach dem Ausscheiden des Beklagten wirksam geworden.

Entscheidung | OLG Brandenburg 7 U 213/21

Die Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch aus § 675 BGB, § 128 HGB analog.

Eine persönliche Haftung des Beklagten würde einen Vertrag mit dem Mitgesellschafter voraussetzen, der außerhalb des Gesellschaftsvertrags liegen und Ansprüche begründen würde, die sich nicht bereits aus diesem Gesellschaftsvertrag ergeben. Es lag ein Beratervertrag zwischen dem Kläger und der GbR vor. Dies spricht zunächst für die Vereinbarung eines Drittgeschäfts und eine eigene Leistung des Klägers gegenüber der Gesellschaft. Jedoch wendet der Beklagte gegen ein Drittgeschäft ein, dass der Vertrag nicht als ein solches behandelt wurde.

Zunächst stellte der Kläger Rechnungen und erhielt Zahlungen nur in Nettobeträgen. Später unterblieb die Rechnungslegung ganz. Auch haben die Gesellschafter die Frage der Vergütung ausdrücklich abweichend von einem Drittgeschäft geregelt. So haben der Kläger und die Steuerberater die Vergütung aus dem Beratervertrag als Gewinnanspruch des Klägers verbucht. Schließlich haben die Gesellschafter J, V und der Kläger am 28.02.2016 einstimmig klargestellt, dass die monatlichen Zahlungen in Höhe des Beratungshonorars als Vorabgewinn zu verstehen sind. Die Regelung von individuellen, gesellschaftsvertraglich nicht vorgesehenen Gewinnansprüchen, betrifft das Recht aller Gesellschafter als mitgliedschaftliches Recht und damit die Grundlagen der Gesellschaft. Solche Änderungen sind grundsätzlich nur einstimmig und unter Beteiligung aller Gesellschafter zulässig. Zwar erfolgte der Beschluss ohne Mitwirkung des Beklagten, allerdings sieht der Gesellschaftsvertrag vor, dass Änderungen an seinen Regelungen mit 75 % Mehrheit beschlossen werden können, wenn keine Nachschusspflichten der Gesellschafter betroffen sind.

Somit wurde wirksam festgelegt, dass der Anspruch des Klägers ein Gewinnanspruch und folglich unbegründet ist. Denn solange die Gesellschaft besteht, müssen Sozialverbindlichkeiten gegen sie als Anspruchsgegnerin erhoben werden. Für die Forderung haftet dann das Gesellschaftsvermögen. Daneben besteht keine persönliche Haftung, da diese gegen den Ausschluss von Nachschüssen durch die Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen verstoßen würde, § 707 BGB. Zwar muss der vorzeitig ausscheidende Gesellschafter gem. § 739 BGB einen sich bei der Abrechnung ergebenden Verlust ausgleichen. Für diese Geltendmachung ist jedoch die GbR und nicht der Kläger aus eigenem Recht aktiv legitimiert.

Auch die hilfsweise erst ab dem 01.01.2017 verlangte Vergütung wäre von der Vereinbarung über den Vorabgewinn erfasst. Die Verlängerung würde weiterhin ein Rechtsgeschäft der GbR mit dem Kläger darstellen, an welchem der Kläger als geschäftsführender Gesellschafter gem. § 181 BGB nicht wirksam beteiligt sein konnte. Geht man von einer Gesamtvertretung der GbR aus, bedurfte die Vertragsverlängerung der Vertretung durch alle verbleibenden Gesellschafter. Diese lag mangels Beteiligung des Beklagten vor dem 31.12.2016 nicht vor. Für Ansprüche des Klägers aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB haftet der Beklagte nicht, da die Leistungen erst nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft erbracht wurden. Schließlich wurde die hilfsweise Klageerweiterung erst in der mündlichen Verhandlung am 17.08.2021 geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt waren die Ansprüche ab dem 01.01.2017 aber bereits gem. §§ 195, 199 BGB verjährt.

Praxishinweis | OLG Brandenburg 7 U 213/21

Das Verfahren ist anhängig beim BGH unter dem Az. II ZR 163/22. Somit bleibt eine abschließende Klärung durch den BGH abzuwarten.