KG Berlin 22 W 21/23
Sitz einer Personengesellschaft und Zulässigkeit der Beschwerde bei Zurückweisung der Anmeldung

03.07.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

KG Berlin
08.05.2023
22 W 21/23
NZG 2024, 15

Leitsatz | KG Berlin 22 W 21/23

  1. Wird im Rahmen eines Antragsverfahrens in einem mit notariellem Schreiben eingeleiteten Beschwerdeverfahren der Name des Beschwerdeführers nicht angegeben, so gilt die Beschwerde im Zweifel als im Namen aller beschwerdebefugten Antragsberechtigten/Antragsverpflichteten eingelegt, für die der Notar tätig geworden ist.
  2. Wird eine von sämtlichen Gesellschaftern einer Personenhandelsgesellschaft vorgenommene Anmeldung zurückgewiesen, sind die zur Anmeldung berufenen Gesellschafter (und nicht die Gesellschaft selbst) beschwert und beschwerdeberechtigt.
  3. Der Sitz einer Personenhandelsgesellschaft ist vor Inkrafttreten des MoPeG der Ort, von dem aus tatsächlich die Geschäfte geleitet werden und an dem sich der Schwerpunkt der unternehmerischen Betätigung befindet. Das ist der Ort der Hauptverwaltung, wenn die Gesellschaft von mehreren Orten aus geleitet wird. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist durch das Registergericht des neuen Sitzes zu prüfen.

Sachverhalt | KG Berlin 22 W 21/23

Die Bet. zu 1) ist Kommanditistin und die Bet. zu 2) ist die persönlich haftende Gesellschafterin der im Handelsregister A des AG Ulm eingetragenen GmbH & Co. KG. Am 18.10.2022 meldeten die Bet. beim AG in Ulm an, dass der Sitz der Gesellschaft nach B verlegt worden sei.

Auf Anweisung des AG übersandte die IHK der Gesellschaft unter der in der Anmeldung genannten Adresse in B einen Fragebogen mit Fragen zum Ort der Geschäftsleitung und dem Schwerpunkt der unternehmerischen Tätigkeit. Da die Gesellschaft nicht antwortete, informierte die IHK das AG am 15.11.2022, dass sie aufgrund der fehlenden Beantwortung der Fragen im Fragebogen nicht davon überzeugt ist, dass die Gesellschaft ihre Hauptverwaltung und Geschäftsleitung in B hat. Nachdem auch auf die Übersendung der Stellungnahme der IHK an den Notar keine Reaktion erfolgte und auch eine weitere Anfrage des AG an den Notar vom 12.01.2023 unbeantwortet blieb, wies das AG die Anmeldung mit Beschluss vom 07.03.2023 zurück. Zur Begründung führte das AG an, dass nicht glaubhaft gemacht wurde, dass die Gesellschaft ihren Sitz nach B verlegt habe.

In einem vom Notar an das AG gerichteten Schriftsatz vom 21.03.2023 heißt es u.a.: „(…) in vorbezeichneter Angelegenheit lege ich gegen den Beschluss vom 07.03.2023 (…) Beschwerde ein. Die Gesellschaft ist nach eigenen Angaben postalisch unter der angemeldeten Anschrift erreichbar. Der Briefkasten ist beschriftet.“

Daraufhin sandte die IHK dem Notar den obigen Fragebogen mit der Bitte um Weiterleitung an die Gesellschaft zu, worauf jedoch ebenfalls keine Reaktion erfolgte. Infolgedessen teilte die IHK dem AG unter dem 18.04.2023 erneut mit, dass sie sich nicht davon überzeugen konnte, dass die Gesellschaft ihre Hauptverwaltung und Geschäftsleitung in B habe.

Das AG hat mit Beschluss vom 20.04.2023 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Entscheidung | KG Berlin 22 W 21/23

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Zunächst stellt das KG Berlin fest, dass die Beschwerde zulässig ist.

Obwohl aus der Beschwerdeschrift nicht klar hervorgehe, in wessen Namen der Notar die Beschwerde eingelegt hat, gelte im Rahmen eines Antragsverfahrens bezüglich des Beschwerdeverfahrens, das durch ein notarielles Schreiben eingeleitet wurde, die Beschwerde im Zweifel als im Namen aller beschwerdebefugten Antragsberechtigten bzw. -verpflichteten eingelegt, für die der Notar tätig geworden ist.

Zudem stellt das KG Berlin klar, dass die zur Anmeldung berufenen Gesellschafter (und nicht die Gesellschaft selbst) beschwert und beschwerdeberechtigt seien, wenn eine von sämtlichen Gesellschaftern einer Personenhandelsgesellschaft vorgenommene Anmeldung zurückgewiesen wird.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das AG habe zu Recht die Eintragung der Sitzverlegung abgelehnt.

Nach den §§ 108 S. 1, 107 (a.F.) i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB hätten sämtliche Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft die Verlegung des Sitzes der Gesellschaft an einen anderen Ort zum Handelsregister anzumelden. Das Gericht des neuen Sitzes sei verpflichtet zu prüfen, ob der Sitz ordnungsgemäß verlegt ist (§ 13h Abs. 2 S. 3 HGB). Der Sitz einer Gesellschaft sei jener Ort, von dem aus die Geschäfte tatsächlich geführt werden und an dem sich der Schwerpunkt der unternehmerischen Betätigung befindet. Werde die Gesellschaft von mehreren Standorten aus geführt, sei dies der Ort der Hauptverwaltung.

Diese Voraussetzungen seien in B nicht erfüllt. Nach den durch die IHK im Auftrag des AG gemäß § 13h Absatz 2 Satz 3 HGB durchgeführten Ermittlungen und den Mitteilungen der IHK vom 15.11.2022 und 18.04.2023 könne nicht festgestellt werden, dass die Gesellschaft ihren Betrieb, ihre Geschäftsleitung und/oder ihre Verwaltung in B hat. Die bloße Existenz eines „Briefkastens“ und die postalische Erreichbarkeit in B seien nicht ausreichend.

Praxishinweis | KG Berlin 22 W 21/23

Die Grundsätze des KG Berlin betreffen die Normen des HGB vor Inkrafttreten des MoPeG. Der Inhalt des § 107 HGB a.F. findet sich nun wortgleich in § 106 Abs. 6 HGB n.F. und die alte Regelung des § 108 HGB a.F. beinhaltet nahezu inhaltsgleich der neue § 106 Abs. 7 HGB n.F. Die Vorschrift des § 13h Abs. 2 S. 3 HGB ist unverändert. Demnach ist davon auszugehen, dass die genannten Grundsätze der Entscheidung des KG Berlin betreffend die Beschwerdebefugnis, Anmeldepflicht und die Prüfungspflicht des Amtsgericht auch nach Inkrafttreten des MoPeG Geltung entfalten.

Den Sitz einer Gesellschaft legaldefiniert nun jedoch § 706 S. 1 BGB n.F. als den Ort, an dem die Geschäfte der Gesellschaft tatsächlich geführt werden (Verwaltungssitz). Es gilt jedoch die Ausnahme des § 706 S. 2 BGB n.F. zu beachten, nach welchem der Sitz der Gesellschaft abweichend von Satz 1 derjenige Ort ist, den die Gesellschafter vereinbart haben (Vertragssitz), sofern dieser Ort im Inland ist und die Gesellschaft im Handelsregister eingetragen ist. Der § 706 HGB findet über § 105 Abs. 3 (und § 162 Abs. 2 HGB) auch auf die oHG und KG Anwendung.