OLG Celle 9 W 51/21
Sitzverlegung auch im Liquidationsstadium der GmbH bei fehlenden Anhaltspunkten für das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs

09.01.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Celle
26.04.2021
9 W 51/21
ZIP 2021, 2231

Leitsatz | OLG Celle 9 W 51/21

Im Grundsatz ist die Sitzverlegung einer GmbH – vorbehaltlich des Fehlens tatsächlicher Anhaltspunkte für Rechtsmissbräuchlichkeit im Einzelfall – auch im Liquidationsstadium zulässig.

Sachverhalt | OLG Celle 9 W 51/21

Die Gesellschaft, mit einem Stammkapital von 1 Mio. Euro, befindet sich seit Januar 2019 in Liquidation. Der Liquidator der Gesellschaft beantragt am 19.03.2021 die Eintragung der Sitzverlegung der Gesellschaft aus dem Bezirk des Registergerichts in Hannover in den Registergerichtsbezirk Tostedt. Dem Antrag liege ein satzungsändernder Beschluss der Gesellschafterversammlung zugrunde.

Die Gesellschaft ist der Meinung, sie habe mit der Anmeldung der Sitzverlegung ihre Anmeldung zur Löschung der Gesellschaft aus dem Register zurückgenommen und werde die Löschung zu einem späteren Zeitpunkt bei dem neu zuständigen Handelsregister beantragen.

Das Registergericht weist den Antrag zurück. Hiergegen legt die Liquidationsgesellschaft Beschwerde ein.

 

Entscheidung | OLG Celle 9 W 51/21

Die Beschwerde der Gesellschaft ist begründet und hat mithin Erfolg.

Aus § 69 GmbHG ergebe sich nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass die Sitzverlegung einer Liquidationsgesellschaft möglich sei. Entgegen der Auffassung des Registergerichts, die Möglichkeit einer Sitzverlegung sei extrem restriktiv auszulegen, sei es vielmehr gängige Praxis, dass Gesellschaften in ihrer Liquidationsphase ihre Geschäftsräume verkleinern und gegebenenfalls wechseln muss. Es sei nicht ersichtlich, weshalb eine Veränderung der Geschäftsanschrift nicht auch durch eine parallele Sitzverlegung begleitet werden könne. Insbesondere bringe § 69 Abs. 2 GmbHG zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber solche Fälle für existent hält, indem er regelt, dass der Gerichtsstand am alten Gesellschaftssitz erhalten bleibe.

Eine Versagung der Sitzverlegung sei in Einzelfällen wegen des Vorliegens einer Rechtsmissbräuchlichkeit möglich, vom Registergericht jedoch nicht in Erwägung gezogen worden. Insbesondere sei nicht allein dadurch auf eine Rechtsmissbräuchlichkeit schließen zu können, dass die Beendigung der Liquidation bereits einmal angemeldet, jedoch wieder zurückgenommen worden war. Vielmehr lasse die Zeitspanne von einem Jahr in welcher die Beendigung der Liquidation angemeldet, aber nicht vollzogen wurde, darauf schließen, dass die Liquidation tatsächlich noch nicht beendet war.

Der den Eintragungsantrag zurückweisende Beschluss ist mithin aufzuheben. Das Registergericht hat das Verfahren fortzusetzen.

Praxishinweis | OLG Celle 9 W 51/21

Die Sitzverlegung einer Gesellschaft in der Liquidationsphase ist grundsätzlich möglich und wird vom Gesetzgeber als existent gesehen. Auch wenn das OLG Celle eine besonders restriktive Auslegung als nicht notwendig erachtet, sollte betont werden, dass die Möglichkeit der Sitzverlegung ihre Grenzen in der Rechtsmissbräuchlichkeit findet. Sollte das Registergericht Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Sitzverlegung haben, ist es auch nach diesem Urteil nicht gehindert einen Antrag auf Sitzverlegung zurückzuweisen.