AGH Nordrhein-Westfalen 1 AGH 38/22
Syndikuszulassung für angestellten Geschäftsführer einer Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungs-GmbH möglich

15.05.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

AGH Nordrhein-Westfalen
25.08.2023
1 AGH 38/22
DStR 2023,2738

Leitsatz | AGH Nordrhein-Westfalen 1 AGH 38/22

Auch wenn ein Rechtsanwalt als Geschäftsführer einer Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungs-GmbH im Rahmen eines Anstellungsvertrags tätig ist, kann er als Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden.

Sachverhalt | AGH Nordrhein-Westfalen 1 AGH 38/22

Der Beigeladene, als Rechtsanwalt zugelassen, ist bei der W. Steuerberatungs- GmbH durch Vertrag vom November 2017 angestellt. Dort beriet er Kunden der Firma sowie die mit ihnen verbundenen Anwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Für diese Tätigkeit wurde er mit Bescheid der Beklagten vom 21.03.2018 als Syndikusrechtsanwalt zugelassen. Ab Januar 2022 arbeitet er als geschäftsführender Rechtsanwalt weiterhin für die Steuerberatungs- GmbH und beantragt zuvor, dass von der Zulassung zum Syndikusrechtsanwalt auch diese Tätigkeiten umfasst sind, da sie seiner Auffassung nach, keine wesentliche Änderung der bisherigen Tätigkeit darstelle. Hilfsweise beantragt er, die Zulassung auch auf die neue Tätigkeit zu erstrecken. So obliegt ihm nach dem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag inkl. einer ergänzenden Vereinbarung vom Dezember 2021 nunmehr die fachliche und kaufmännische Leitung, einschließlich Personalverantwortung und die Sicherstellung der rechtlichen Compliance, zu einem jährlichen Festgehalt nebst einer vom Erfolg der GmbH abhängenden Tantieme. Daneben ist aufgeführt, dass die früheren Vereinbarungen aus dem Gesellschaftsvertrag seine Gültigkeit behalten und der Syndikusrechtsanwalt weisungsfrei handelt. Die Geschäftsführertätigkeit umfasse dabei nur 5-20 % der wöchentlichen Arbeitszeit.

Die Beklagte stimmte dem unter der Maßgabe des § 46 Abs. 2 – 5 BRAO zu und erweiterte seine Zulässigkeit als Syndikusrechtsanwalt diesbezüglich. Die Klägerin hingegen, ist mit dieser Entscheidung nicht einverstanden und erhob Klage mit der Begründung, der Beigeladene sei als Geschäftsführer in einem Dienstverhältnis, nicht Arbeitsverhältnis, tätig, sodass eine fachliche Unabhängigkeit nicht gewährleistet werden könne.

Entscheidung | AGH Nordrhein-Westfalen 1 AGH 38/22

Die zulässige Anfechtungsklage hatte keinen Erfolg. Der Bescheid, der die Zulassung des Beigeladenen als Syndikusrechtsanwalt auf seine Tätigkeiten als Geschäftsführer erstreckt, sei rechtens, da die Voraussetzungen gem. §§ 46b III, 46a I, 46 II-IV BRAO vorliegen.

Die Beschäftigung des Beigeladenen sei durch eine fachlich unabhängige und eigenverantwortliche ausgeübte anwaltliche Tätigkeit geprägt, was sich insbesondere aus dem Arbeitsvertrag vom November 2017, dem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag vom Dezember 2021 und dem Gesellschaftsvertrag mit der GmbH vom August 2012 ergebe. Nach der Rechtsprechung des BGH bedarf der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit mindestens 65%, sodass der Beigeladene trotz anfallender Aufgaben als Geschäftsführer der Steuerberatungs-GmbH, mehrheitlich anwaltliche Aufgaben übernimmt und somit seiner Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nichts entgegensteht.

Bei der W. Steuerberatungs-GmbH handelt es sich um eine nichtanwaltliche Steuerberatergesellschaft, da neben dem Beigeladenen auch zwei Steuerberater als Geschäftsführer tätig sind. Damit sind mehr Mitglieder im Geschäftsführerorgan Steuerberater, sodass sie auch die Mehrheit der Stimmrechte innehaben.

Auch die fachliche Unabhängigkeit ist durch vertragliche Regelungen ausreichend gesichert. Der Gesellschaftsvertrag und die ergänzende Vereinbarung zum Geschäftsführer-Anstellungsvertrag stellen sicher, dass Beschlüsse der Gesellschafterversammlung die fachliche Unabhängigkeit und Freiheit zum pflichtgemäßen Handeln des Beigeladenen nicht beeinträchtigen dürfen. Ebenso ist der Syndikusrechtsanwalt weiterhin nicht weisungsgebunden.

Eine Berufung wurde zugelassen, da die Frage, ob im Rahmen eines Dienstverhältnisses tätige Organe einer juristischen Person als Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden können, grundsätzliche Bedeutung hat.

Praxishinweis | AGH Nordrhein-Westfalen 1 AGH 38/22

Mit seinem Urteil weicht der AGH Nordrhein-Westfalen von seiner bisherigen Rechtsprechung (zuletzt AGH Nordrhein-Westfalen v. 21.04.2023 – 1 AGH 29/22) ab, dass Geschäftsführer einer GmbH grundsätzlich nicht als Syndikusrechtsanwälte zugelassen werden können, weil der mit ihnen geschlossene Anstellungsvertrag kein Arbeitsverhältnis i.S.d. § 46 Abs. 2 BRAO darstellt. Diese Grundsatzfrage liegt zurzeit zur Entscheidung beim Anwaltssenat des BGH, mit einer Entscheidung dürfte 2024 zu rechnen sein.