BGH II ZR 65/23
Verjährung der Einlageforderungen (und ihre Folgen für Kaduzierung und Ausfallhaftung)

26.06.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
09.01.2024
II ZR 65/23
ZIP 2024, 446

Leitsatz | BGH II ZR 65/23

  1. Die Verjährung des Anspruchs der Gesellschaft auf Leistung der Einlagen vor Beginn des Kaduzierungsverfahrens schließt die Säumnis des Gesellschafters im Sinn des § 21 GmbHG aus, ohne dass dieser die Verjährungseinrede erheben muss.
  2. Eine Einlageforderung, auf die das Kaduzierungsverfahren nicht gestützt werden kann, weil sie bereits vor Einleitung des Kaduzierungsverfahrens verjährt war, wird von der Ausfallhaftung nach § 24 Satz 1 GmbHG nicht erfasst.

Sachverhalt | BGH II ZR 65/23

Die A-GmbH und spätere Insolvenzschuldnerin (im Folgenden auch „Schuldnerin“) wurde am 13.07.2007 gegründet. Gesellschafter derselben waren die E-GmbH, welche einen Geschäftsanteil zum Nennbetrag von 22.500 € übernahm, und die Beklagte, die einen Geschäftsanteil zum Nennbetrag von 2.500 € übernahm. Zur Erbringung der Einlagen überwies die E-GmbH am 27.08.2007 und 28.09.2007 jeweils 11.250 € an die Schuldnerin, welche ihr am 22.10.2007 in voller Höhe von der Schuldnerin zurücküberwiesen wurden. Im Jahr 2012 übernahm die E-GmbH den Geschäftsanteil der Beklagten. Am 05.02.2016 wurde die E-GmbH im Handelsregister gelöscht, nachdem ein Eigeninsolvenzantrag im Jahr 2013 mangels Masse abgelehnt worden war.

Der klagende Insolvenzverwalter über das Vermögen der A-GmbH führte im Jahr 2017 ein Kaduzierungsverfahren gem. § 21 GmbHG gegen die E-GmbH durch.

Hierfür beantragte er am 17.02.2017 – vor Ablauf der Verjährungsfrist des § 19 Abs. 6 GmbHG – die Bestellung eines Nachtragsliquidators für die E-GmbH, welche vom Amtsgericht am 19.07.2017 genehmigt wurde. Am 20. Juli 2017 forderte der Kläger die E-GmbH, vertreten durch den Nachtragsliquidator, erfolglos zur Zahlung der seiner Ansicht nach ausstehenden Einlage in Höhe von 22.500 € innerhalb eines Monats auf. Daraufhin erklärte der Kläger mit Schreiben vom 23.08.2017 die E-GmbH ihres Geschäftsanteils an der Schuldnerin für verlustig.

Mit Schreiben vom 05.12.2017 forderte der Kläger die Beklagte als Gründungsgesellschafterin vergeblich im Wege der Ausfallhaftung zur Zahlung der Hälfte der Einlage der E-GmbH auf.

Der Kläger fordert nun von der Beklagten gemäß § 24 S. 1 GmbHG die Zahlung von 11.250 € zuzüglich Prozesszinsen. Die Beklagte hat sich auf die Verjährung der Einlageforderung gegenüber der E-GmbH berufen. Das Landgericht gab der Klage statt.

Auf die Berufung der Beklagten hin wies das BerGer. die Klage ab. Obwohl sich der Nachtragsliquidator der E-GmbH nicht auf die Verjährungseinrede berufen hat, kann der Gesellschafter im Ausfallhaftungsprozess nach § 768 BGB analog wie ein Bürge die Verjährung des gegen den kaduzierten Mitgesellschafter geltend gemachten Anspruchs seiner eigenen Inanspruchnahme entgegenhalten.

Der Kläger setzt seine Klageanträge mit der vom BerGer. zugelassenen Revision fort.

Entscheidung | BGH II ZR 65/23

Die Revision des Klägers ist unbegründet und hat keinen Erfolg. Nach Auffassung des BGH habe das BerGer. zu Recht auf die Berufung der Beklagten die Klage auf Zahlung der hälftigen Einlage gem. § 24 S. 1 GmbHG abgewiesen.
Die Voraussetzungen einer Ausfallhaftung der Beklagten seien nicht gegeben. Zwar hafte die Beklagte grundsätzlich gemäß § 24 Satz 1 GmbHG, da sie zum Zeitpunkt des Eintritts der Fälligkeit der hälftigen Einlageforderung gegen die E-GmbH Gesellschafterin der Schuldnerin war, allerdings sei der Anspruch der Schuldnerin gegen die E-GmbH auf die hälftige Einlageforderung bereits verjährt gewesen, als das Kaduzierungsverfahren eingeleitet wurde.

Gemäß § 19 Abs. 6 S. 1 GmbHG verjähre der Anspruch der Gesellschaft auf Leistung der Einlage innerhalb von zehn Jahren ab dem Zeitpunkt seines Entstehens. Vorliegend sei der Anspruch auf die Einlagerate mit Abschluss des Gesellschaftsvertrags der Schuldnerin am 13. Juli 2007 entstanden. Insbesondere habe die Verjährung nicht erst mit der Rückzahlung des Einlageanspruchs begonnen. Wird vorab ein Hin- und Herzahlen vereinbart, werde der Gesellschafter grundsätzlich nicht von seiner Einlageverpflichtung frei (§ 19 Abs. 5 S. 1 GmbHG). Die geleistete Zahlung habe keine Erfüllungswirkung und die Pflicht zur Einlage bestand weiterhin in vollem Umfang. Daher sei die Verjährung konsequent bereits mit der Fälligkeit des Anspruchs angefangen zu laufen.

Der Anspruch auf die hälftige Einlage sei gemäß § 19 Abs. 6 S. 1 GmbHG, § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 13.07.2017 verjährt. Weder sei die Verjährung erneut in Gang gesetzt noch gehemmt worden. Die Tatsache, dass der Kläger den Antrag auf Bestellung eines Nachtragsliquidators gegen die bereits im Handelsregister gelöschte E-GmbH in unverjährter Zeit am 17.02.2017 gestellt hat, erfülle keinen Hemmungstatbestand; insbesondere scheide eine Hemmung der Verjährung wegen höherer Gewalt gem. § 206 BGB aus.

Weiter führt der BGH aus, dass die Verjährung des Anspruchs der Gesellschaft auf Leistung der Einlagen vor Beginn des Kaduzierungsverfahrens die Säumnis eines Gesellschafters im Sinne des § 21 GmbHG ausschließe, ohne dass es einer Erhebung der Verjährungseinrede bedarf (vergleichbarer Fall bei § 286 BGB). Eine Einlageforderung, die nicht durch das Kaduzierungsverfahren geltend gemacht werden kann, weil sie bereits vor Einleitung des Kaduzierungsverfahrens verjährt war, falle zudem nicht unter den Anwendungsbereich der Ausfallhaftung nach § 24 S. 1 GmbHG.

Praxishinweis | BGH II ZR 65/23

Nach der vorgenannten Rechtsprechung des BGH führt die Verjährung des Anspruchs der Gesellschaft auf Leistung der Einlagen vor Beginn des Kaduzierungsverfahrens zum Ausschluss der Säumnis des Gesellschafters im Sinne des § 21 GmbHG, ohne dass es der Erhebung der Verjährungseinrede bedarf. Als Konsequenz wird eine Einlageforderung, die nicht Gegenstand des Kaduzierungsverfahren sein kann, weil sie bereits vor dessen Einleitung verjährt war, von der Ausfallhaftung nach § 24 Satz 1 GmbHG nicht erfasst.

Kaduzierung (§ 21 GmbHG) und Ausfallhaftung (§ 24 GmbHG) sind regelmäßig Teil von Insolvenzverfahren bezüglich Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Voraussetzung für eine Kaduzierung ist eine rechtswidrige Leistungsverzögerung. Bisher bestand Einigkeit, dass eine Leistungsverzögerung nicht rechtswidrig ist, sofern dem Gesellschafter ein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 273 BGB zustand. Dies hat der BGH nun auf das praxisrelevante Leistungsverweigerungsrecht gem. § 214 BGB wegen Verjährung erweitert.

Bei Antragsstellung der für die Durchführung des Kaduzierungsverfahrens erforderlichen Bestellung eines Nachtragsliquidators war die Einlageforderung noch nicht verjährt – jedoch 5 Monate später als das Gericht die Bestellung genehmigte. Dennoch kommt dem Antrag auf Bestellung eines Liquidators nach Ansicht des BGH keine verjährungshemmende Wirkung zu. In der Praxis gilt es somit für den Insolvenzverwalter die Verjährung der Einlageforderung und den Zeitraum, den das Gericht für die Genehmigung der Bestellung eines Nachtragsliquidators benötigt, nicht außer Acht zu lassen.