BGH KZR 73/21
Zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen durch KG für ihre Mitglieder

12.07.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
26.09.2023
KZR 73/21
ZIP 2023, 2631

Leitsatz | BGH KZR 73/21

Eine Kommanditgesellschaft darf Rechtsdienstleistungen für ihre Mitglieder erbringen, sofern sie zur Wahrung gemeinsamer Interessen gegründet worden ist, ohne Gewinnerzielungsabsicht lediglich eine Kostenpauschale für die bei der Verfolgung der Schadensersatzansprüche entstehenden Allgemeinkosten erhebt und die Rechtsdienstleistung im Rahmen ihres satzungsmäßigen Aufgabenbereichs erfolgt.

Sachverhalt | BGH KZR 73/21

Die Kläger machte gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht ihrer Gesellschafter und hilfsweise aus eigenem Recht zugunsten ihrer Gesellschafter Schadensersatzansprüche wegen kartellbedingt überteuerter Bezugspreise für Zucker in den Jahren 1996 bis 2009 geltend. Die Klägerin ist ein Verbund von 40 mittelständischen Brauereien in Form einer Kommanditgesellschaft ohne Erlaubnis nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist die Förderung der gemeinsamen Interessen ihrer Gesellschafter. Die Beklagte und ihre Streithelferinnen sind Zuckerhersteller. Gegen sie hat das Bundeskartellamt Bußgelder wegen wettbewerbsbeschränkender Gebiets-, Quoten- und Preisabsprachen verhängt. Die Kläger koordinierte für ihre Gesellschafter den gemeinsamen Einkauf von Zucker und schloss zwischen 2000 und 2008 Verträge mit der Beklagten ab, auf deren Grundlage diese jeweils Liefermengen abriefen. Nach Bekanntwerden der Beschlüsse des Bundeskartellamts traten 14 Gesellschafter etwaige kartellrechtliche Schadensersatzansprüche im Hinblick auf die in den Beschlüssen festgestellten wettbewerbsbeschränkenden Absprachen an die Klägerin ab. Diese machte die Klägerin zunächst geltend, hilfsweise aus eigenem Recht mit der Behauptung, die zwischen ihr und der Beklagten geschlossenen Verträge seien Verträge zugunsten Dritter. Land- und Oberlandesgericht wiesen die Klage ab, da eine Abtretung der behaupteten Schadensersatzansprüche wegen eines Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz gem. § 134 BGB i.V.m. § 3 RDG nichtig sei. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Revision.

Entscheidung | BGH KZR 73/21

Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Die Klägerin erbrachte durch den Abschluss der Abtretungsvereinbarungen ihren Gesellschaftern eine Rechtsdienstleistung gem. § 2 Abs. 1 RDG. Dabei wurde die Klägerin in fremden Angelegenheiten tätig, weil die Geltendmachung der Schadensersatzforderung vorrangig im wirtschaftlichen Interesse der jeweiligen Brauerei erfolgte. Die Klägerin und ihre Gesellschafter handelten dabei nicht als verbundenes Unternehmen im Sinne des § 15 AktG, sondern als Gemeinschaftsunternehmen von 40 mittelständischen Brauereien, die zumindest zum Teil miteinander und jedenfalls mit weiteren Brauereien im Wettbewerb stehen. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist die Förderung und Verfolgung gemeinsamer Interessen der Gesellschafter, wobei die Brauereien von der Klägerin unabhängig sind und ihre eigenen Ziele verfolgen. Somit liegt keine eigene Rechtsangelegenheit der Klägerin gem. § 2 Abs. 3 Nr. 6 RDG vor. Das Berufungsgericht verneint rechtsfehlerhaft die Anwendbarkeit von § 7 Abs. 1 Nr. 1 RDG. Erlaubt sind nach dieser Vorschrift Rechtsdienstleistungen, die berufliche oder andere zur Wahrung gemeinschaftlicher Interessen gegründete Vereinigungen im Rahmen ihres satzungsgemäßen Aufgabenbereichs für ihre Mitglieder erbringen, soweit sie gegenüber der Erfüllung ihrer übrigen satzungsmäßigen Aufgaben nicht von übergeordneter Bedeutung sind. Eine solche Vereinigung stellt die Klägerin dar. Sie ist zur Wahrung eines über die Interessen des Einzelnen hinausgehenden Gruppeninteresses gegründet worden. Die Anwendung von § 7 Abs. 1 Nr. 1 RDG ist nicht auf Vereinigungen beschränkt, die hauptsächlich einen ideellen Zweck verfolgen. Die vom Berufungsgericht noch angenommene Einschränkung des Vereinigung Begriffs ergibt sich nicht aus dem Wortlaut der Vorschrift. Dieser fordert nämlich eine berufliche Vereinigung, die zur Wahrung gemeinschaftlicher Interessen gegründet worden ist. Vereinigungen sind dabei rechtliche Zusammenschlüsse von mehreren natürlichen oder juristischen Personen, was eine Kommanditgesellschaft erfüllt. Eine etwaige Einschränkung dessen ergibt sich weder aus der Gesetzessystematik, noch aus dem satzungsmäßigen Aufgabenbereich der Vereinigung.

Die in der Satzung der Klägerin enthaltenen Gesellschaftszwecke sind gemeinschaftlich und überindividuell. Das gilt in besonderem Maß für den gemeinsamen Einkauf, mit dem die Verhandlungsmacht gegenüber den Herstellern vergrößert, niedrigere Beschaffungspreise erreicht und damit letztlich auch die Wettbewerbschancen gegenüber den „großen“ Brauereien verbessert werden sollen. Auch ermöglicht es diesen kleineren Brauereien eine kartellrechtliche Verfolgung ihrer Ansprüche, welche sie angesichts der damit verbundenen Kosten und Risiken alleine nicht nachgehen könnten. Daher sind grundsätzlich auch Hilfsgeschäfte für die gewerblichen Unternehmen ihrer Gesellschafter umfasst. Zudem handelt die Klägerin bei der Geltendmachung der vorliegenden Schadensersatzforderungen nicht mit Gewinnerzielungsabsicht, sondern rechnete pauschalisiert ihre bei der Verfolgung der Schadensersatzansprüche entstandenen allgemeinen Kosten ab. Es besteht ferner kein Erwerbsinteresse, das sie dazu verleiten könnte, ihre Tätigkeit entgegen den Interessen ihrer Mitglieder und zu deren Schaden auszuweiten. Daher ist ihr die Privilegierung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 zuzugestehen, weshalb die Klägerin gegenüber ihren Mitgliedern die getätigten Rechtsdientsleistungen erbringen durfte.

Praxishinweis | BGH KZR 73/21

Die deutschen Gerichte beschäftigen sich in den letzten Jahren intensiv mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz. Die vorgestellte Entscheidung setzt sich ausführlich mit dem Vereinigungsprivileg des § 7 Abs. 1 Nr. 1 RDG auseinander und schafft zumindest in diesem (Teil-)Bereich Rechtsklarheit. Damit kommt der BGH dem praktischen Bedürfnis der Mitgliederrechtsberatung nach, sofern diese ohne Gewinnerzielungsabsicht und im Rahmen des satzungsmäßigen Aufgabenbereichs erfolgt. Interessant wird dies gerade für kleine und mittelständische Interessenvereinigungen, welche ihre Interessen und Forderungen nun auch ohne Einschaltung eines externen Dienstleisters durchsetzen können.