BGH V ZR 104/20
Einrede des nicht erfüllten Vertrags bei geringfügigen Mängeln

17.02.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
19.11.2021
V ZR 104/20
NJW-RR 2022, 808

Leitsatz | BGH V ZR 104/20

  1. Auch bei geringfügigen behebbaren Mängeln der Kaufsache stellt § 320 BGB eine Einrede des nicht erfüllten Vertrages dar, infolge derer eine Zurückbehaltung des Kaufpreises gerechtfertigt sein kann.
  2. Sollten Dienstbarkeiten nach dem Vertragsschluss an einem Grundstück eingetragen werden und diese bei Eigentumsübergang nicht gelöscht werden, so stellen diese einen Rechtsmangel dar, sofern ein lastenfreier Eigentumsübergang vereinbart wurde.

Sachverhalt | BGH V ZR 104/20

Der Kläger kaufte ein Grundstück vom Beklagten, bei dem es sich um einen Skihang mit daneben befindlichem Hotel handelte. Es waren zugunsten der Nachbarn Dienstbarkeiten im Grundbuch eingetragen. Der kleinere Teil des Kaufpreises wurde bar gezahlt, der Rest vom Beklagten auf ein Anderkonto des Urkundennotars gestellt. Dieser Betrag sollte bei Eintritt bestimmter Bedingungen freigegeben werden, eine dieser war die Löschung der Dienstbarkeiten an dem Grundstück. Bevor das Eigentum auf den Beklagten überging wurden weitere Fahr- und Gehrechte zugunsten der Nachbarn im Grundbuch eingetragen. Bei Eigentumsübergang wurden nur die erst bestellten Dienstbarkeiten gelöscht, nicht jedoch die später dazugekommenen.

Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Freigabe des auf dem Anderkonto hinterlegten Restkaufpreises. Das LG Berlin hat den Beklagten zu einer Teilfreigabe verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen. Gegen das Urteil legte der Beklagte Berufung ein, welche zurückgewiesen wurde, vor dem Senat des BGH allerdings Erfolg hatte und an das Berufungsgericht zurückgewiesen wurde.

Entscheidung | BGH V ZR 104/20

Ein Rechtsmangel stellt einen behebbaren Mangel dar aufgrund dessen der Käufer eine Kaufpreiszahlung verweigern kann.

Wird ein Grundstückskauf über ein Notaranderkonto abgewickelt und zahlt der Notar den hinterlegten Kaufpreis bei Vorliegen der vertraglich vereinbarten Auszahlungsvoraussetzungen (Auszahlungsreife) nicht an den Verkäufer aus, kann diesem ein Anspruch gegen den Käufer zustehen, den auf dem Anderkonto hinterlegten Restkaufpreis „freizugeben“. Liegen die vereinbarten Auszahlungsvoraussetzungen jedoch nicht vor, besteht zum Beispiel ein Rechts- oder Sachmangel zur Zeit des Eigentumsübergangs, steht dem Käufer eine Einrede aus § 320 BGB zu. Im Grundbuch eingetragene Rechte und Dienstbarkeiten stellen einen Rechtsmangel dar, sofern der Eigentumsübergang eines Grundstücks lastenfrei vereinbart war. In diesem Fall hat der Käufer ein Recht auf Verweigerung der Freigabe des auf dem Anderkonto hinterlegten Restkaufpreises und ist nicht vorleistungspflichtig.

Der Verkäufer eines Grundstücks, der die lastenfreie Übertragung des Eigentums schuldet, kann den Käufer nicht darauf verweisen, eingetragene Belastungen seien vormerkungswidrig und relativ unwirksam (§ 888 II 1 BGB) und er könne deshalb deren Löschung selbst durchsetzen (§ 888 I BGB). Denn der unselbstständige Hilfsanspruch des § 888 BGB ändert nichts an dem gesicherten Anspruch des Käufers auf lastenfreie Eigentumsübertragung, zu dessen Erfüllung der Verkäufer nach wie vor verpflichtet bleibt. Weiterhin steht dem Käufer selbst bei geringfügigen behebbaren Mängeln der Kaufsache gem. § 320 I BGB zu, die Zahlung des Kaufpreises zu verweigern. Eine Offenlegung von besonderen Umständen trifft den Käufer dabei nicht.

Praxishinweis | BGH V ZR 104/20

Dem Käufer steht auch bei geringfügigen behebbaren Mängeln der Kaufsache zu, die Zahlung des Kaufpreises zu verweigern. Insbesondere bei Kaufverträgen über Grundstücke, in denen ein lastenfreier Übergang des Eigentums an dem Grundstück vereinbart wurde, ist die Löschung vorhandener Dienstbarkeiten zu beachten und wie im Kaufvertrag vereinbart vorzunehmen, um einen Rechtsmangel zu vermeiden und einen lastenfreien Eigentumsübergang zu gewähren.