OLG München 34 Wx 90/24 e
Kein (datenschutzrechtlicher) Anspruch auf Löschung bzw. Austausch von Daten in Gesellschafterlisten

03.07.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG München
25.04.2024
34 Wx 90/24 e
ZIP 2024, 1477

Leitsatz | OLG München 34 Wx 90/24 e

  1. Ein Anspruch auf Löschung von in der Gesellschafterliste enthaltenen und gesetzlich nicht zwingend erforderlichen Daten durch Austausch der im Registerordner aufgenommen Gesellschafterliste besteht nicht.   
  2. Die Beibehaltung sämtlicher Gesellschafterlisten im Registerordner und damit auch die Verarbeitung der bei der Einreichung der Listen übermittelten Daten ist für die Wahrnehmung der Aufgaben des Handelsregisters zwingend erforderlich.   
  3. § 9 Abs. 7 HRV stellt keine eigenständige Anspruchsgrundlage für einen Austausch von Dokumenten im Registerordner dar, sondern regelt lediglich die Durchführung.

Sachverhalt | OLG München 34 Wx 90/24 e

Der Beteiligte ist Gesellschafter und Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die im Handelsregister eingetragen ist. Im Juli 2012 wurde die aufgrund der Abtretung eines Geschäftsanteils eine notariell bescheinigte Gesellschaferliste in den Registerordner aufgenommen, in welcher die vollständige Wohnanschrift beider Gesellschafter angegeben ist. Im November 2023 beantragte der Beteiligte die Löschung der Angabe von Straße und Hausnummer und fügte diesbezüglich eine von ihm unterzeichnete Gesellschafterliste bei, bei welcher als Wohnort lediglich die Gemeinde V. angegeben war. Als Löschung sollte hierbei der Austausch der aktuellen im Handelsregister hinterlegten Gesellschafterliste mit der neuen Liste verstanden werden. Das Registergericht wies den Antrag mangels Rechtsgrundlage zurück.

Entscheidung | OLG München 34 Wx 90/24 e

Die Beschwerde des Beteiligten bleibt ohne Erfolg.

Zwar ist die Angabe der kompletten Wohnanschrift nicht gesetzlich vorgeschrieben, § 40 Abs. 1 S. 1 GmbHG. Ein Austausch der Gesellschafterlisten kann aber bereits deshalb nicht in Betracht kommen, da keine nach § 40 Abs. 2 GmbHG „bereinigte“ Liste eingereicht wurde. Im Falle einer Geschäftsanteilsabtretung muss die Liste vom beurkundenden Notar bescheinigt werden, da das Registergericht nicht dazu befugt ist, notarielle Urkunden zu verändern oder veränderte Abschriften hiervon zu erstellen. Ein Austausch der Listen kann daher ausschließlich aufgrund eines notariellen Antrags erfolgen.

Außerdem ist keine Anspruchslage für eine Löschung der Daten durch Austausch des Dokuments ersichtlich. Art. 17 Abs. 1 DSGVO findet im Registerwesen aufgrund der fortdauernden Transparenz- und Beweisfunktion keine Anwendung. Die Tätigkeit eines Hoheitsträgers, die darin besteht, Daten in Erfüllung von Publizitätspflichten in einer Datenbank zu speichern und interessierten Personen Einsicht zu gewähren, stellt eine Ausübung hoheitlicher Befugnisse sowie eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe dar. Das Handelsregister erfüllt eine fortdauernde Transparenz- und Beweisfunktion, wobei der Grundsatz der Datenerhaltung den Kern des registerrechtlichen Publizitätsprinzips darstellt. Eine gesetzliche Ermächtigung, Dokumente nachträglich zu verändern oder nachträglich der unbeschränkten Einsicht zu entziehen, besteht nicht.

Vor allem die auf Gesellschafterlisten beruhende Legitimationswirkung nach § 16 Abs. 1 GmbHG erfordert es, chronologisch die dort angegebene Inhaberschaft an den Gesellschaftsanteilen unzweifelhaft nachvollziehen zu können. Bei einer Ersetzung der alten durch eine neue Liste bestünde für den Rechtsverkehr völlige Unklarheit über den Gesellschafterbestand im Zeitraum zwischen der Aufnahme und der Entfernung der alten Liste. Die Beibehaltung sämtlicher eingereichter Gesellschafterlisten ist daher für das Handelsregister zwingend erforderlich.

In Bezug auf die von der DSGVO abgelösten Datenschutzrichtlinie hat der EuGH hervorgehoben, dass die Registerpublizität grundsätzlich Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz genießt. Dies gilt ebenso für die Rechtslage seit Inkrafttreten der DSGVO.

Aus Art. 21 und Art. 18 DSGVO kann kein Löschungs- oder Austauschanspruch hergeleitet werden, da einerseits ein Widerspruchsrecht in Bezug auf die personenbezogenen Daten bei im Handelsregister einzureichenden Dokumenten nicht anwendbar ist und andererseits die Registerführung aus Gründung wichtiger öffentlicher Interessen erfolgt. Auch § 9 Abs. 7 HRV stellt keine eigenständige Anspruchsgrundlage dar, sondern regelt als verfahrensrechtliche Norm lediglich die Durchführung des Austauschs von Dokumenten.

 

Praxishinweis | OLG München 34 Wx 90/24 e

Die Entscheidung verdeutlicht, welchen wichtigen Stellenwert die Registerpublizität im Handelsregister in Bezug auf andere Rechte einnimmt. Bei Änderungen der Gesellschafterliste muss daher stets auf eine notarielle Bescheinigung geachtet werden.