OLG München 34 Wx 203/23e
Unwirksamkeit einer Verfügung des Testamentsvollstreckers vor Annahme des Amts

22.07.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG München
27.11.2023
34 Wx 203/23e
ZEV 2024, 95

Leitsatz | OLG München 34 Wx 203/23e

  1. Die vor Annahme des Amtes des Testamentsvollstreckers getroffene Verfügung ist unwirksam.
  2. Sie bedarf zur Erlangung der Wirksamkeit der Genehmigung des Verfügungsbefugten und wird nicht allein dadurch wirksam, dass der Verfügende später das Amt des Testamentsvollstreckers annimmt.
  3. Bei einem mehraktigen Verfügungstatbestand muss der Verfügende grundsätzlich im Zeitpunkt des letzten Teilakts noch verfügungsbefugt sein.

Sachverhalt | OLG München 34 Wx 203/23e

Erblasser E war zu Lebzeiten Alleineigentümer eines Grundstücks und als solcher im Grundbuch eingetragen. Im März 2021 errichtete E ein Testament und setzte sieben Personen als seine Erben ein, u.a. seine Nichte K. Zudem wandte er der Vermächtnisnehmerin V das Alleineigentum an dem Grundstück zu. Ferner ordnete E Vermächtnisvollstreckung an und setzte V – unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB – als Testamentsvollstreckerin ein.

Nach dem Tod des E wurde am 07.02.2022 die Auflassung des Grundstücks beurkundet. Dabei handelte V sowohl in ihrer Eigenschaft als Vermächtnisnehmerin als auch als Testamentsvollstreckerin.
In der Auflassungserklärung heißt es u.a.:

„1.2. Nach Angabe der Frau S. [= V] hat diese ihr Testamentsvollstreckeramt angenommen. Vorsorglich wird die Annahme des Amtes hiermit nochmals erklärt. […] 3. Es besteht Einigkeit darüber, dass das Vertragsobjekt in das Alleineigentum der Frau S. übergeht. Die Eintragung dieser Rechtsänderung im vorgenannten Grundbuch wird bewilligt und beantragt.“

Am 10.02.2022 ging die vom Notar übersandte Annahmeerklärung des Testamentsvollstreckeramts beim Nachlassgericht ein zwecks „Kenntnisnahme wegen § 2202 Abs. 2 S. 1 BGB“. Am 11.03.2022 ging die vom Notar übersandte Auflassungsurkunde beim Grundbuchamt ein. Zugleich beantragte der Urkundsnotar deren Vollzug gemäß Ziffer 3 der Urkunde. V wurde am 19.08.2022 als Alleineigentümerin im Grundbuch eingetragen.

Mit Schreiben vom 27.03.2023 beantragt K die Berichtigung des Grundbuchs wegen offensichtlicher Unrichtigkeit des Grundbuchs. Die Auflassung sei ihrer Ansicht nach unwirksam, weil V im Zeitpunkt der Abgabe der Auflassungserklärung ihr Amt als Testamentsvollstreckerin noch nicht angenommen habe. Dies sei erst mit Zugang der Annahmeerklärung beim Nachlassgericht erfolgt.

Das Grundbuchamt wies den Antrag der K zurück und half auch der darauffolgenden Beschwerde nicht ab, da eine Grundbuchunrichtigkeit i.S.d. § 894 BGB nicht vorliege.

Entscheidung | OLG München 34 Wx 203/23e

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Gemäß § 53 Abs. 1 S. 1 GBO sei das Grundbuchamt verpflichtet, von Amts wegen einen Widerspruch einzutragen, wenn es unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist. Die Gesetzesverletzung müsse feststehen und die Unrichtigkeit des Grundbuchs glaubhaft gemacht werden.

Die Gesetzesverletzung stehe fest, da es an einer wirksamen Auflassung, § 20 GBO, §§ 873, 2197, 2202, 2205, 181 BGB fehle. V sei im Zeitpunkt der Auflassung am 07.02.2022 nicht verfügungsbefugt gewesen. Da gemäß § 2202 Abs. 1 BGB das Amt des Testamentsvollstreckers erst in dem Zeitpunkt beginne, in welchem dieser das Amt annimmt, und die Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht abzugeben ist (§ 2202 Abs. 2 S. 1 BGB), habe V die mit dem Amt verbundene Verfügungsbefugnis erst am 10.02.2022 erlangt, dem Zeitpunkt, zu dem ihre Annahmeerklärung dem Nachlassgericht zugegangen ist. Vor diesem Zeitpunkt vorgenommene Rechtsgeschäfte des Testamentsvollstreckers seien demnach unwirksam. Folglich habe eine wirksame Auflassung am 07.02.2022 nicht vorgelegen.

Dieses Ergebnis ändere sich auch nicht durch die Tatsache, dass es sich beim Eigentumserwerb gemäß §§ 873, 925 BGB um einen mehrstufigen Verfügungsvorgang handelt, der neben der Auflassung auch die Eintragung des Erwerbers erfordert, und V im Zeitpunkt der Eintragung verfügungsbefugt war. Die Verfügungsmacht müsse grundsätzlich – so auch der BGH – (noch) im Zeitpunkt des letzten Verfügungsaktes als Abschluss des Verfügungstatbestands vorliegen, hier also der Eintragung im Grundbuch. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass die Verfügungsbefugnis bereits im Zeitpunkt der dinglichen Einigung nach § 873 Abs. 1 BGB vorliegen müsse. Dass V also im Zeitpunkt der Eintragung am 19.08.2022 aufgrund der Amtsannahme am 10.02.2022 verfügungsbefugt war (bzw. wurde), ändere also nicht an der Unwirksamkeit der Auflassung.

Schließlich liege auch kein Fall des § 185 Abs. 2 S. 1 BGB vor, wonach die Verfügung durch nachträgliche Genehmigung oder Konvaleszenz wirksam wird. Eine Genehmigung nach § 185 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB sei zwar grundsätzlich möglich, liege aber nicht vor, da V eine solche Erklärung nicht abgegeben habe. Eine Konvaleszenz aufgrund unmittelbarer Anwendung des § 185 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB scheide aus, da der Testamentsvollstrecker den Gegenstand nicht durch die Amtserlangung „erwerbe“. Auch   eine analoge Anwendung des § 185 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB sei abzulehnen, da gem. § 2202 Abs. 1 BGB das Amt des Testamentsvollstreckers erst mit der Annahme beginne und der Gedanke der Treuwidrigkeit, der der Konvaleszenz zugrunde liegt, hier nicht greife, da Konvaleszenz nicht zu Lasten eines fremden Vermögens gehen solle.

Zudem habe K die Grundbuchunrichtigkeit glaubhaft gemacht. Die Eintragung der V als Alleineigentümerin habe die Unrichtigkeit des Grundbuchs zur Konsequenz, da es die materielle Rechtslage nicht mehr korrekt wiedergebe. Materiellrechtlich seien Eigentümer aufgrund des Erbfalls die Erben nach dem verstorbenen eingetragenen Alleineigentümer, § 1922 BGB.

Praxishinweis | OLG München 34 Wx 203/23e

Die von einem Testamentsvollstrecker vor der gegenüber dem Nachlassgericht angezeigten Annahme seines Amtes erklärte Auflassung ist unwirksam, da dem Testamentsvollstrecker zu diesem Zeitpunkt die Verfügungsbefugnis über den Nachlassgegenstand fehlt. Nur bei Abgabe einer die Form des § 29 Abs. 2 S. 1 GBO wahrenden Genehmigungserklärung wird die Auflassungserklärung gem. § 185 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 (nachträglich) wirksam. Allein dadurch, dass der Testamentsvollstrecker sein Amt vor Abschluss des mehrstufigen Erwerbsvorgangs annimmt und dadurch (nachträglich) Verfügungsbefugnis erlangt, wird die zuvor erklärte Auflassung nicht wirksam. Nach Ansicht des OLG München – welcher der h.M. entspricht – sollte der eingesetzte Testamentsvollstrecker zunächst die Amtsannahme und anschließend, nachdem die Annahmeerklärung wirksam geworden ist, die Auflassung des Grundstücks erklären.

In einer früheren Entscheidung hatte das OLG München (v. 08.09.2005 – 32 Wx 58/05) noch vertreten, dass im Falle einer der Auflassungserklärung zeitlich nachfolgenden Annahmeerklärung des Testamentsvollstreckeramts gegenüber dem Nachlassgericht § 185 Abs. 2 BGB entsprechend anwendbar ist „mit der Auswirkung, dass die [Auflassungs-; Anm.d.Red.] Erklärung zum Zeitpunkt des Zugangs der Annahmeerklärung beim Nachlassgericht wirksam wurde“. An dieser Rechtsprechung des 32. Senats hält der gegenwärtig allein für Grundbuchsachen zuständige 34. Senat nicht länger fest.

Bemerkenswert ist, dass es in einer Entscheidung des BGH (v. 22.05.1957 – IV ZR 4/57) heißt: „Für die Frage der Berechtigung zur Verfügung kann es grds. nur auf den Zeitpunkt ankommen, in dem sich der Verfügungstatbestand vollendet, wie sich aus § 878 BGB entnehmen lässt.“