BGH V ZR 115/22
Keine Unwirksamkeit des Grundstückskaufvertrages bei Schwarzgeldabrede

13.05.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
15.03.2024
V ZR 115/22
BeckRS 2024, 9041

Leitsatz | BGH V ZR 115/22

  1. Wird der Kaufpreis bei der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrags in der Absicht, Steuern zu hinterziehen, niedriger angegeben als mündlich vereinbart (sog. Schwarzgeldabrede), ist der Vertrag in der Regel nicht nichtig. Anders liegt es nur, wenn die Steuerhinterziehungsabsicht alleiniger oder hauptsächlicher Zweck des Rechtsgeschäfts ist; dies ist jedoch regelmäßig nicht der Fall, wenn der Leistungsaustausch, d.h. die Verpflichtung des Verkäufers zur Übertragung des Grundstücks und die Verpflichtung des Käufers zur Zahlung des Kaufpreises, ernstlich gewollt ist (Bestätigung von Senat, Urteil vom 17. Dezember 1965 - V ZR 115/63, NJW 1966, 588, 589; Urteil vom 5. Juli 2002 - V ZR 229/01, NJW-RR 2002, 1527).
  2. Die Erwägungen, die im Falle eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SchwarzArbG zur Nichtigkeit des Dienst- oder Werkvertrags führen, sind auf Schwarzgeldabreden im Rahmen von Grundstückskaufverträgen nicht übertragbar (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 1. August 2013 - VII ZR 6/13, BGHZ 198, 141; Urteil vom 10. April 2014 - VII ZR 241/13, BGHZ 201, 1; Urteil vom 11. Juni 2015 - VII ZR 216/14, BGHZ 206, 69; Urteil vom 16. März 2017 - VII ZR 197/16, BGHZ 214, 228).

Sachverhalt | BGH V ZR 115/22

Per notariellem Vertrag verkaufte der Beklagte der Klägerin ein Grundstück zum Preis von 120.000 €. Die Auflassung wurde zugleich erklärt. Die Beteiligten hatten jedoch tatsächlich einen Preis von 150.000 € vereinbart - die 30.000 € Differenz waren von der Klägerin bereits im Vorfeld des Beurkundungstermins in bar an den Beklagten gezahlt worden. Nach der Zahlung des (restlichen) Kaufpreises wurde die Klägerin als Eigentümerin ins Grundbuch eingetragen. Nach der Selbstanzeige des Beklagten beim Finanzamt führten die Beteiligten nun Gespräche über Wirksamkeit des Kaufvertrages und eine Rückabwicklung. Es wurde ein Widerspruch gegen die Eintragung der Klägerin eingetragen. Zudem überwies der Beklagte den Betrag von 120.000 € auf das Treuhandkonto eines Notars. Dieser zahlte den Betrag der Klägerin aus, obwohl der Beklagte noch nicht wieder als Eigentümer eingetragen wurde.

Die Klägerin verlangt nun von dem Beklagten die Zustimmung zur Löschung des Widerspruchs gegen ihre Eintragung als Eigentümerin. In der Zwischenzeit hat der Notar dem Beklagten 120.000 € gegen Abtretung etwaiger Ansprüche gegen die Klägerin überwiesen. Insofern ist der Rechtsstreit erledigt.

Das LG hat den Grundstückskaufvertrag in erster Instanz für nichtig gehalten und die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin führte zu Aufhebung des Urteils und zur Verurteilung des Beklagten, der Löschung des Widerspruchs zuzustimmen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte das Ziel, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.

Entscheidung | BGH V ZR 115/22

Die Revision ist unbegründet und daher erfolglos.

Es ergibt sich - wie vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt wurde - ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Löschung des Widerspruchs aus § 894 BGB. Die Klägerin ist durch Auflassung und Eintragung Eigentümerin des Grundstücks geworden. Anders läge es nur, wenn der Kaufvertrag nichtig wäre und die Unwirksamkeit der Verpflichtung auch auf das Verfügungsgeschäft durchschlagen würde.
Der beurkundete Kaufvertrag in Höhe von 120.000 € war als Scheingeschäft gem. § 117 Abs. 1 BGB nichtig, während der mündliche Vertrag über 150.000 € gem. §§ 117 Abs. 2, 311b Abs. 1 S. 1, 125 S. 1 BGB zunächst formnichtig war. Dieser Formmangel wurde jedoch durch die Auflassung und Eintragung der Klägerin geheilt, § 311b Abs. 1 S. 2 BGB.

Der Kaufvertrag ist auch nicht gem. §§ 134, 138 BGB nichtig. Insbesondere führt die Schwarzgeldabrede nicht zu einer Nichtigkeit des Kaufvertrages nach § 134 BGB. Der BGH ging zwar davon aus, dass die Zahlung der 30.000 € dazu diente, den Finanzbehörden einen niedrigeren Kaufpreis vorzuspiegeln und so Steuern zu hinterziehen. Auf das Barzahlungsverbot des § 16a Abs. 1 S. 1 GwG kam es nicht an, da der verfahrensgegenständliche Kaufvertrag vor dem 01.04.2023 geschlossen wurde, § 59 Abs. 11 GwG (dazu s.u. Praxishinweise).

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist ein Vertrag, der eine Schwarzgeldabrede enthält, jedoch regelmäßig nicht nichtig. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Steuerhinterziehungsabsicht alleiniger oder hauptsächlicher Zweck des Geschäftes ist. Hier sind jedoch die Verpflichtung des Verkäufers (Übereignung des Grundstücks) und die Verpflichtung des Käufers (Kaufpreiszahlung) ernstlich gewollt. Die Steuerhinterziehung ist nicht Allein- oder Hauptzweck des Rechtsgeschäftes. Die Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des BGH sei zudem nicht auf Schwarzgeldabreden bei Grundstückskaufverträgen übertragbar. Danach führe bei Werk- oder Dienstverträgen ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SchwarzArbG zur Nichtigkeit des Vertrages. Eine vergleichbare Regelung besteht für Schwarzgeldabreden bei Grundstücksverkäufen nicht. Dies ist mit Blick auf den Zweck der Vorschrift auch nicht notwendig. Gem. § 1 Abs. 1 SchwarzArbG ist das Ziel der Norm die Bekämpfung von Schwarzarbeit, eine solche droht bei Grundstückskäufen nicht.

Zwar könnte eine Schwarzgeldabrede in Grundstückskaufverträgen auch gegen § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO verstoßen. Ziel dieses Gesetzes ist jedoch anders als bei § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SchwarzArbG nicht wenigstens auch der Schutz des redlichen Wettbewerbes, sondern lediglich die Sicherung des staatlichen Steueraufkommens. Dieser Zweck erfordert es nicht, dem Grundstücksgeschäft die Wirksamkeit zu versagen.
Nach Ansicht des Senats hat eine Schwarzgeldabrede jedenfalls „rechtlich etwas Anstößiges“. Diese Anstößigkeit schlägt jedoch nur auf den gesamten Vertrag durch, wenn die Steuerhinterziehungsabsicht zumindest den Hauptzweck des Geschäftes darstellt. Eine Unwirksamkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB kommt erst dann in Betracht. Hier war das Rechtsgeschäft wie oben beschrieben ernstlich gewollt. Eine Nichtigkeit gem. § 138 BGB scheidet daher aus.

Letztlich besteht auch keine Nichtigkeit gem. § 139 BGB. Selbst wenn die Abrede für sich genommen gem. §§ 134, 138 Abs. 1 BGB, § 370 AO nichtig gewesen sein sollte, so ist in diesem Fall davon auszugehen, dass die Parteien den Vertrag auch ohne die Schwarzgeldabrede getroffen hätten. Insbesondere hat die Klägerin unwidersprochen vorgetragen, dass sie das Grundstück auch zu einem beurkundeten Preis von 150.000 € erworben hätte.

Damit ist insgesamt schon der Kaufvertrag nicht unwirksam, sodass dahinstehen kann, ob im Falle einer Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäftes diese auch zur Nichtigkeit der Auflassung geführt hätte. Die Auflassung ist daher wirksam, die Klägerin ist mit der Eintragung Eigentümerin des Grundstücks geworden. Sie kann vom Beklagten seine Zustimmung zur Löschung des zu Unrecht eingetragenen Widerspruchs verlangen, § 894 BGB.

Praxishinweis | BGH V ZR 115/22

Der V. Zivilsenat des BGH bleibt seiner Linie treu und hält grundsätzlich an der Wirksamkeit von (Grundstücks-)Kaufverträgen mit Schwarzgeldabreden fest. Spannender ist jedoch die bereits oben aufgeworfene Frage, wie sich eine „schwarze“ Barzahlung bei Geschäften ab dem 01.04.2023 auf die Wirksamkeit des Kaufvertrages auswirken würde. Denn mit der Einführung des § 16a Abs. 1 S. 1 GwG kann die Gegenleistung u.a. bei Käufen von inländischen Immobilien nicht mehr mittels Bargeldes bewirkt werden.

Fraglich ist, ob der § 16a GwG ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB darstellt. Ablehnend sieht dies etwa die Bundesnotarkammer (s. Rundschreiben Nr. 1/2023 Sanktionsdurchsetzungsgesetz II - notarrelevante Änderungen im Geldwäschegesetz). Als Argument könnte dafür ins Feld geführt werden, dass es insofern am Verbotscharakter des § 16a Abs. 1 S. 1 GwG fehlt. Denn: Erfolgt eine Zahlung unter Verstoß gegen das Barzahlungsverbot, so fehlt ihr ausweislich der Gesetzesbegründung (nur) die Erfüllungswirkung. Die Zahlung kann jedoch nach den Regelungen des Bereicherungsrechtes zurückgefordert werden, wobei § 815, § 817 S. 2 BGB keine Anwendung finden, s. § 16a Abs. 1 S. 3 GwG. Der Käufer müsste dann lediglich erneut und unter Beachtung des Barzahlungsverbotes leisten. Die Wirksamkeit des Vertrages sei danach unberührt.

Jedoch widerspricht diese Bewertung den Zielen des GwG. Insbesondere die effektive Bekämpfung von Geldwäsche kann so nur sehr bedingt erreicht werden. Stellte § 16a GwG kein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB dar, so bliebe der Vertrag insgesamt wirksam. Ist eine - wohl gerade im zu adressierenden kriminellen Milieu übliche - außervertragliche Abrede zur Barzahlung getroffen worden, so bestehen zwar nach dem neuen GwG erhöhte Kontrollpflichten des Notars. Ist aber wie im vorliegenden Fall ein anderer als der eigentlich geschuldete Betrag beurkundet, so bestehen über diesen Betrag hinaus keine Anhaltpunkte zur Nachforschung seitens des Notars. Die Beteiligten hätten daher die Möglichkeit, durch eben solche Barabsprachen den § 16a GwG in Teilen zu umgehen. Dies wird durch die Ablehnung des Verbotscharakters verstärkt. So bestünde für die Beteiligten kein Risiko, dass der Vertrag durch die (bewusste und zielgerichtete) Umgehung des GwG unwirksam würde. Im Zweifelsfall entfiele lediglich die Erfüllungswirkung, sodass der Käufer erneut zu leisten hätte, die ursprüngliche Zahlung aber zurückfordern kann, insb. da § 815 und § 817 S. 2 BGB keine Anwendung finden.

Letztendlich geht es daher entweder „gut“ - die Barabrede fällt also nicht auf, womit das GwG wirksam umgangen worden wäre. Oder aber die Barabrede wird entdeckt, dann würde die Erfüllungswirkung im Zweifel entfallen und der Fehlbetrag müsste unbar geleistet werden - ein „normales“ Geschäft also. Ein wirkliches (wirtschaftliches) Risiko für die Beteiligten besteht damit nicht. Daher wird dem Zweck des GwG, das maßgeblich auch auf europäischen Vorgaben zur Bekämpfung von Geldwäsche beruht, nicht hinreichend Rechnung getragen. Der Verbotscharakter des § 16a GwG sollte im Ergebnis trotz fehlender Adressierung in der Gesetzesbegründung anzunehmen sein.

Für den soeben geschilderten Fall würde dies die Unwirksamkeit des Grundstückskaufvertrages bedeuten. Damit einhergehend bestünde gerade in Bezug auf die Kaufpreiszahlung ein erhebliches wirtschaftliches Risiko für die Beteiligten, das abschreckend wirkt und im Sinne des GwG so gewollt sein muss.