OLG Karlsruhe 19 W 60/23 (Wx)
Beurteilung von Transmortalität bei Vorsorgevollmachten

17.06.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Karlsruhe
17.08.2023
19 W 60/23 (Wx)
DNotZ 2024, 94

Leitsatz | OLG Karlsruhe 19 W 60/23 (Wx)

  1. Für die Beurteilung der Frage, ob von einer über den Tod hinausgehenden Vollmacht auszugehen ist, gilt, dass je mehr der Auftragsgegenstand auf die Person und die persönlichen Verhältnisse und nicht nur auf das Vermögen des Auftraggebers ausgerichtet ist, desto eher das Erlöschen des Auftrags mit dem Tode des Auftraggebers anzunehmen ist (Anschluss OLG Hamm, Beschluss vom 17. September 2002 - 15 W 338/02).
  2. Für Vorsorgevollmachten wird zum Teil als Leitlinie genannt, dass diese „in der Regel“ mit dem Tod des Vollmachtgebers erlöschen.
  3. Bei der Auslegung ist der Hinweis der Vollmachtgeber, dass ihnen der Bestand der Vollmacht über den Tod hinaus verdeutlicht worden sei, zu beachten. Er ist ein deutlich für eine transmortale Vollmacht sprechendes Indiz.
  4. Auch wenn man die notarielle Pflicht zur klaren und eindeutigen Wiedergabe der Erklärungen auf einen vom Notar gefertigten Entwurf zur Unterschriftsbeglaubigung vorgesehener Urkunden übertragt, ändert dies nichts daran, dass auch formbedürftige Erklärungen der Auslegung zugänglich sind.

Sachverhalt | OLG Karlsruhe 19 W 60/23 (Wx)

Die Beteiligten wenden sich gegen eine Zwischenverfügung, durch die der Vollzug von Grundbuchanträgen von der Vorlage von Erbnachweisen und einer Bewilligung der Erben abhängig gemacht wird. Die Beteiligten halten dies wegen einer nach ihrer Auffassung als transmortal aufzufassenden Vollmacht nicht für erforderlich.

Die Beteiligte zu 2) und ihr verstorbener Ehemann - der Beteiligte zu 1) - sind je hälftig als Eigentümer eines Grundstücks eingetragen.

Die Beteiligten stellen sich mit einer als „Vorsorgevollmacht“ überschriebenen Erklärung vom 03.12.2012 gegenseitig eine Generalvollmacht aus, sowohl hinsichtlich Vermögensgeschäften, als auch Gesundheitsvorsorge. Auch findet sich folgende Erklärung: „Ferner hat mich der Notar darauf hingewiesen, dass diese Vollmacht über den Tod hinaus wirkt, jederzeit widerruflich ist und dass bei Widerruf darauf zu achten ist, dass sämtliche Ausfertigungen der Vollmacht vom Bevollmächtigten herausgegeben werden."

Mit notariellem Kaufvertrag verpflichtete sich die Beteiligte zu 2) in eignem Namen und als Bevollmächtigte des verstorbenen Beteiligten zu 1), das Grundeigentum an die Beteiligten zu 3) und 4) zu übertragen. Die Beteiligte zu 2) bewilligte die Eintragung einer Auflassungsvormerkung. Am selben Tage wurde eine Grundschuld zugunsten einer Sparkasse bestellt. Beides wurde vom Urkundsnotar zur Eintragung beantragt.

Durch Zwischenverfügung hat das Grundbuchamt den Vollzug von der Vorlage eines Erbnachweises nebst entsprechendem formlosen Berichtigungsantrag eines Erben, sowie der Genehmigung der durch die Beteiligte zu 2) errichteten Urkunde durch die Erben abhängig gemacht. Der verstorbene Beteiligte zu 1) werde von der Beteiligten zu 2) mangels ausreichender Vollmacht nicht wirksam vertreten. Die Vertretungsmacht der Beteiligten zu 2) aus der „Vorsorgevollmacht“ sei mit dem Tod des Beteiligten zu 1) erloschen.

Gegen die Zwischenverfügung richtet sich die Beschwerde des Urkundsnotars.

Entscheidung | OLG Karlsruhe 19 W 60/23 (Wx)

Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Die Vollmacht ist dahingehend auszulegen, dass sie die Beteiligte zu 2) auch über den Tod des beteiligten zu 1) hinaus zu Rechtsgeschäften bevollmächtigt.

Es gilt die Auslegungsregel des § 672 BGB, sodass im Grundsatz vom Fortbestand auszugehen ist, wenn nicht die konkrete Vertragsauslegung ergibt, dass die Besorgung des Geschäfts nur für den noch lebenden Auftraggeber bedeutsam ist. Dafür haben Rspr. und Lit. Auslegungsregeln aufgestellt. Zusammenfassend gilt, dass „je mehr der Auftragsgegenstand auf die Person und die persönlichen Verhältnisse und nicht nur auf das Vermögen des Auftraggebers ausgerichtet ist, desto eher das Erlöschen des Auftrags mit dem Tode des Auftraggebers anzunehmen“ ist. Für Vorsorgevollmachten wird zum Teil angenommen, dass diese „in der Regel“ mit dem Tod des Vollmachtgebers erlöschen.
Im Ergebnis kann die Frage nach dem Regel-Ausnahme-Verhältnis bei Vorsorgevollmachten jedoch dahinstehen. Unabhängig davon gelangt das OLG zu einem Fortbestand der Vollmacht über den Tod hinaus.

Zwar treffen die Beteiligten zu 1) und 2) auch höchstpersönliche Angelegenheiten, namentlich der Gesundheitsvorsorge. Den Schwerpunkt der Vollmacht bilden jedoch nach Auffassung des Gerichts die Bevollmächtigungen für Vermögensgeschäfte.

Auch muss berücksichtigt werden, dass den Beteiligten zu 1) und 2) ein Bestand der Vollmacht über den Tod hinaus verdeutlicht worden ist (s.o. Passus in der Vollmachtsurkunde). Zwar ist dies keine eindeutige Erklärung der Transmortalität der Vollmacht, aber jedenfalls ein deutliches Indiz dafür.

Außerdem sind formbedürftige Erklärungen - anders als vom Grundbuchamt behauptet - ohne weiteres der Auslegung zugänglich.

Praxishinweis | OLG Karlsruhe 19 W 60/23 (Wx)

Im Ergebnis ist der Auslegung des OLG Karlsruhe zwar zuzustimmen, jedoch ist es in der Praxis ratsam, die Transmortalität von Vollmachten ausdrücklich zu regeln, sofern diese gewünscht ist.