LG Köln 22 O 279/22
Unwirksamkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots für GmbH-Geschäftsführerin

12.06.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

LG Köln
09.02.2023
22 O 279/22
BeckRS 2023, 20968 = ZPG 2023, 434 = GWR 2023, 354

Leitsatz | LG Köln 22 O 279/22

Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist unter Berücksichtigung der Berufsausübungsfreiheit und im Rahmen des § 138 BGB nur zulässig, wenn es dem berechtigten Interesse der Gesellschaft dient und das notwendige Maß in gegenständlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht nicht überschreitet.

Sachverhalt | LG Köln 22 O 279/22

Die Verfügungsklägerin war Geschäftsführerin der beklagten GmbH. Der zwischen den Parteien geschlossene Anstellungsvertrag beinhaltete ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit einer als „Sperrfrist“ bezeichneten Laufzeit von 24 Monaten für jegliche mit dem Geschäftsbereich der Beklagten konkurrierenden Tätigkeiten. Im Falle eines Verstoßes ist eine Vertragsstrafe in Höhe von 50.000 € pro Monat vorgesehen. Im Gegenzug wird der Verfügungsklägerin eine Karenzentschädigung gewährt. Der beklagten GmbH ist die Möglichkeit eingeräumt, einseitig auf das Wettbewerbsverbot zu verzichten - in diesem Fall entfällt die Karenzentschädigungspflicht.

Die Verfügungsklägerin verlangt zunächst Verzicht auf das Wettbewerbsverbot. Nach endgültiger Ablehnung durch die beklagte GmbH beantragt die Verfügungsklägerin nun im Wege einstweiligen Rechtsschutzes die gerichtliche Duldung, für ein Konkurrenzunternehmen tätig zu werden.

Entscheidung | LG Köln 22 O 279/22

Der zulässige Antrag ist begründet. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot ist gem. § 138 BGB i.V.m. Art. 2, 12 GG nichtig. Somit besteht der geltend gemachte Verfügungsanspruch der Klägerin auf vorläufige Duldung der Tätigkeit als Geschäftsführerin des Konkurrenzunternehmens. Eine geltungserhaltende Reduktion des Wettbewerbsverbots findet nicht statt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit Rücksicht auf die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 GG nur dann im Rahmen des § 138 BGB zulässig, wenn es den berechtigten Interessen der Gesellschaft dient und in gegenständlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht das notwendige Maß nicht überschreitet.

Das LG Köln erkannte zwar grundsätzlich berechtigte Interessen der Verfügungsbeklagten, das umfassende Wettbewerbsverbot überschreitet jedoch das notwendige Maß in gegenständlicher Hinsicht. So verbietet das vereinbarte Wettbewerbsverbot der Klägerin, „als Mitglied der Geschäftsführung oder als Angestellter oder Berater oder Vertreter oder auf sonstige Weise für ein Unternehmen oder eine Person direkt oder indirekt“ tätig zu werden. Damit ist eine Konkurrenztätigkeit unabhängig davon untersagt, ob etwa Parallelen zu ihrer früheren Arbeit bei der beklagten GmbH bestehen oder überhaupt berechtigte Interessen der Verfügungsbeklagten beeinträchtigt werden. Dies wird durch die (monatliche) Vertragsstrafe iHv 50.000€ noch verstärkt.

Die vereinbarte Karenzentschädigung vermag keine ausreichende Kompensation darzustellen. Das Gericht konnte nicht feststellen, dass die gegenständliche Reichweite des Verbotes ausreichend in der Entschädigung berücksichtigt wurde.

Die Vereinbarung kann darüber hinaus nicht geltungserhaltend reduziert werden. Auch eine salvatorische Klausel vermag daran nichts zu ändern. Zum einen bedeutete dies, dass das Gericht gestaltend in vertragliche Vereinbarungen eingreifen müsste, wobei im Rahmen des § 138 BGB verschiedene Möglichkeiten des Interessenausgleichs möglich wären und so die Gestaltungsfreiheit der Parteien durch das Gericht übermäßig beschnitten wäre. Daneben würde der Zweck des § 138 BGB unterlaufen, wenn einzelne sittenwidrige Absprachen auf ihr zulässiges Maß reduziert werden könnten. Das Risiko der Sittenwidrigkeit und damit der Nichtigkeit einer Vereinbarung ist stets den Parteien zuzuweisen.
Auch der Versuch, eine geltungserhaltende Reduktion mit Verweis auf die §§ 74a ff. HGB zu ermöglichen, geht fehl. § 138 BGB kennt keinen Unterschied zwischen „nichtig“ und „unverbindlich“ und sieht als Rechtsfolge auch kein Wahlrecht des Arbeitnehmers vor, sich bei Unwirksamkeit der Vereinbarung doch auf diese zu berufen, um die Karenzentschädigung zu erhalten.

[Die beim OLG Köln eingelegte Berufung gegen das Urteil des LG Köln wurde zurückgewiesen (OLG Köln Urt. v. 01.06.2023 – 18 U 29/23)].

Praxishinweis | LG Köln 22 O 279/22

Bei der Vereinbarung von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten ist regelmäßig große Vorsicht geboten. Insbesondere in gegenständlicher Hinsicht sollte eine zu umfassende Regelung vermieden werden. Dem kann insbesondere unter Berücksichtigung der Interessen der Gesellschaft durch Ausnahmen vom Verbot oder Eingrenzung der vom Verbot umfassten Tätigkeiten Rechnung getragen werden. Ein pauschales und umfassendes Verbot wird dem jedenfalls nicht gerecht. Auch die Höhe der Vertragsstrafe ist von Bedeutung bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit i.R.d. § 138 BGB. Eine geltungserhaltende Reduktion kann nicht erfolgen.