BGH X ZR 11/21
Zulässigkeit einer spätestens mit dem Tod zu erfüllenden Weiterschenkungsauflage

24.04.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
28.11.2023
X ZR 11/21
BeckRS 2023, 43011

Leitsatz | BGH X ZR 11/21

  1. Eine Auflage, die den Beschenkten verpflichtet, den geschenkten Gegenstand spätestens mit seinem Ableben unentgeltlich auf einen Dritten zu übertragen, fällt nicht ohne weiteres unter den Tatbestand des § 2302 BGB.
  2. Eine Auflage, die den Beschenkten verpflichtet, zugunsten eines Dritten ein Schenkungsversprechen abzugeben, das unter der Bedingung steht, dass der Dritte den Beschenkten überlebt, ist nach § 2302 BGB nichtig.
  3. Wirksam ist eine Auflage, wenn die Parteien des Schenkungsvertrags bereits einen – wenn auch bedingten – Anspruch des Dritten auf Übereignung des geschenkten Gegenstands begründen.

Sachverhalt | BGH X ZR 11/21

Die Klägerin zu 1, der Kläger zu 2 (nachfolgend: die Kläger) und der Beklagte zu 2 sind die Kinder des 2017 verstorbenen H (nachfolgend: der Erblasser). Die Beklagte zu 1 war dessen (zweite) Ehefrau. Die Kläger stammen aus der ersten Ehe des Erblassers, während der Beklagte zu 2 aus der zweiten Ehe mit der Beklagten zu 1 hervorgeht.

Der 2019 verstorbene Vater des Erblassers schloss mit diesem 1995 eine notariell beurkundete Vereinbarung über das streitgegenständliche Grundstück. In dieser Vereinbarung verpflichtete sich der Erblasser unter bestimmten Bedingungen zur Rückübereignung des Grundstücks bzw. zur Übereignung an seine leiblichen Kinder. In einer nachträglichen notariellen Vereinbarung aus dem Jahr 2003 vereinbarten die Parteien des Übergabevertrages zudem, dass die beiden Kläger das Grundstück spätestens mit dem Ableben des Erblassers jeweils zur Hälfte erhalten würden, falls der Erblasser es nicht bereits zu Lebzeiten übereignet hätte, wozu er nach dem Tod seines Vaters jederzeit berechtigt wäre. In einem weiteren notariellen Nachtrag aus dem Jahr 2008 verpflichtete sich der Erblasser das Grundstück spätestens mit Ableben an die beiden Kläger und den Beklagten zu 2 als Miteigentümer zu jeweils einem Drittel zu übereignen.

Eine Übereignung des Grundstücks zu Lebzeiten des Erblassers unterblieb. Demnach sind die vier Parteien als Mitglieder der Erbengemeinschaft die Eigentümer des Grundstücks.

Die Kläger begehren von den Beklagten nun aus einem Schenkungsvertrag die Übertragung des Eigentums an dem Grundstück. Das Landgericht hat die Beklagten gemäß dem Antrag verurteilt, der Übertragung des Grundstücks auf die beiden Kläger und den Beklagten zu 2 als Miteigentümer zu je einem Drittel zuzustimmen und die entsprechende Grundbucheintragung zu bewilligen. Das BerGer. hat die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zurückgewiesen.
Mit ihrer Revision streben die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage an.

Entscheidung | BGH X ZR 11/21

Nach Auffassung des BGH seien die Vorinstanzen zu Recht davon ausgegangen, dass eine Auflage, die den Beschenkten verpflichtet, den geschenkten Gegenstand spätestens mit seinem Ableben unentgeltlich auf einen Dritten zu übertragen, wirksam vereinbart werden könne. Eine solche Auflage fiele nicht ohne weiteres unter den Tatbestand des § 2302 BGB. Das Verbot des § 2302 BGB betreffe grundsätzlich nur Verpflichtungen in Bezug auf Verfügungen von Todes wegen, nicht jedoch in Bezug auf Rechtsgeschäfte unter Lebenden. Dass sich eine solche Verpflichtung gegen die Erben des Beschenkten richte, wenn der Beschenkte sie vor seinem Tod nicht erfüllt, führe für sich allein nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Diese Rechtsfolge ergebe sich daraus, dass der Erbe gemäß § 1922 und § 1967 BGB nicht nur bezüglich der Rechte, sondern auch bezüglich der Pflichten in die Stellung des Erblassers eintritt.

Demgegenüber sei eine Auflage, die den Beschenkten verpflichtet, zugunsten eines Dritten ein Schenkungsversprechen abzugeben, das unter der Bedingung steht, dass der Dritte den Beschenkten überlebt, nach § 2302 nichtig (vgl. auch § 2301 Abs. 1 BGB). Wenn eine Schenkung unter einer Auflage der genannten Art vereinbart wird, entstehe für den Beschenkten von Anfang an die Verpflichtung, dem begünstigten Dritten ein Schenkungsversprechen von Todes wegen zu geben. Diese Konstellation solle jedoch gerade durch § 2302 BGB verhindert werden. Ohne eine solche Auflage hätte der Beschenkte die Freiheit, über den geschenkten Gegenstand nach eigenem Ermessen zu Lebzeiten oder von Todes wegen zu verfügen. Sinn des § 2302 BGB sei es, eine solche Beschränkung zu verhindern.

Eine Auflage sei jedoch wirksam, wenn die Parteien des Schenkungsvertrags bereits einen – wenn auch nur bedingten – Anspruch des Dritten auf Übereignung des geschenkten Gegenstands begründen. Der Tatbestand des § 2302 BGB betreffe lediglich die Verpflichtung, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten, nicht zu errichten, aufzuheben oder nicht aufzuheben, allerdings nicht die tatsächliche Durchführung solcher Rechtshandlungen. Die Freiheit, von Todes wegen über Vermögen zu verfügen, könne beispielsweise durch den Abschluss eines Erbvertrags, eines gemeinschaftlichen Testaments oder eines formgerecht abgegebenen Schenkungsversprechens i.S.v. § 2301 Abs. 1 BGB beschränkt werden. Solche Beschränkungen seien vom Gesetz ausdrücklich zugelassen. Mithin betreffe § 2302 BGB ausschließlich Vereinbarungen, die den Schuldner verpflichten, solche Beschränkungen einzugehen.

Praxishinweis | BGH X ZR 11/21

Die vorstehenden Grundsätze des BGH und die damit verbundene obergerichtliche Anerkennung dieser besonderen Form der Schenkung haben gravierende Auswirkungen für Erblasser mit Immobilienvermögen hinsichtlich Vermögensübertragung und Nachlassplanung. Insbesondere trägt die Auffassung des BGH zur langfristigen Erhaltung von Familienvermögen bei.

Die richtige Auswahl und Formulierung einer Weiterschenkungsauflage entscheidet – wie im vorliegenden Fall des BGH – über Wirksamkeit und Unwirksamkeit der Klausel.